An acht Stellen im Stadtgebiet verlegt der Arbeitskreis Stolpersteine Baden-Baden 19 weitere dieser pflastersteingroßen Würfel, die an das Schicksal von 19 ehemaligen Mitbürgerinnen und Mitbürgern erinnern. Jedes und jeder Einzelnen wird in einem würdevollen Rahmen gedacht. Sie sind herzlich eingeladen, an einzelnen oder auch allen Stellen dabei zu sein (gesamte Wegstrecke ca. 4,5 km).

 

Scheibenstr. 18 (10.00 Uhr):

Dr. Ernst Gallinek, JG. 1865, Gedemütigt/entrechtet, tot 21. Juli 1940

Geologe und Kunstsammler, in der Hoffnung, in der Kurstadt den Repressalien gegen Juden weniger stark ausgesetzt zu sein, 1935 aus seiner Heimatstadt Breslau nach Baden-Baden umgezogen, hier 1940 verstorben. Unter Missachtung seines Testaments unrechtmäßige Inbesitznahme seiner wertvollen Sammlung durch den NS-Staat, später ans Badische Landesmuseum Karlsruhe. Nach einem von dort 2009 angestoßenen Restitutionsverfahren 2021 rechtmäßig von der Erbengemeinschaft erworben.

 

Ludwig-Wilhelm-Str. 1 (ca. 10.45 Uhr):

Dr. Wilhelm Neumann, Jg. 1884, Flucht 1938 Italien – England, tot 29. Dez. 1939

Helene Neumann, geb. von Leistner, Jg. 1896, Flucht 1938 Italien – England

Im Ersten Weltkrieg als Arzt aus Italien ausgewiesen, Niederlassung als Radiologe in Baden-Baden. Nach Entzug der Kassenzulassung 1933 praktizierte Wilhelm Neumann im Winter im italienischen San Remo und nur noch im Sommer in Baden-Baden. Verfahren wegen angeblicher Rassenschande. 1938 Flucht nach San Remo, 1939 nach London. Helene Neumann folgte nach Odyssee über Spanien, Portugal und Frankreich. Im Dezember 1939 erkrankte Wilhelm Neumann verfolgungsbedingt schwer und starb am 29. Dezember 1939 in London.

 

Lichtentaler Str. 34 (ca. 11.15 Uhr):

Karoline Kaufmann, Jg. 1894, deportiert 1940, Gurs, Flucht 1941 USA

Rosa Kaufmann, Jg. 1892, deportiert 1940, Gurs, Flucht 1941 USA

Die in Baden-Baden geborenen Schwestern waren erfolgreiche Einzelhändlerinnen, bevor sie durch Nazi-Boykotte und Enteignungen verarmten. Deportation am 22. Oktober 1940 ins Lager Gurs in Südfrankreich. Mithilfe der in die USA ausgewanderten Schwester Else Zivy Ausreise nach New York, wo beide “vollkommen ausgehungert und erschöpft“ ankamen. Rosa starb mit 56 Jahren wohl an den Folgen des Lageraufenthaltes. Lina trug ebenfalls gesundheitliche Leiden davon und musste ihren Lebensunterhalt mit Fabrikarbeit bestreiten.

 

Lichtentaler Str. 5 (ca. 11.35 Uhr):

Arthur Bergmann, Jg. 1880, Unfreiwillig verzogen 1939 Berlin, deportiert 1942 Ghetto Piaski, Majdanek, ermordet

Henriette Bergmann, geb. Rosenhain, Jg. 1890, Unfreiwillig verzogen 1939 Berlin, deportiert 1942 Ghetto Piaski, ermordet

Rolf Bergmann, Jg. 1921, Kindertransport 1937 England, Kanada

Kurt Bergmann, Jg. 1923, Kindertransport 1939 England, Kanada

Inhaber des Wäsche- und Modehauses Hofmann & Söhne in der Lichtentaler Straße 5, gleichzeitig Wohnhaus der Familie. 1938 musste dieses und ein Anwesen in der Rettigstraße 12 unter Druck veräußert werden. Nach der Pogromnacht 1938 war Arthur Bergmann kurzzeitig im KZ Dachau inhaftiert. 1939 übersiedelte er mit seiner Ehefrau nach Berlin. Die Söhne hatten sie schon zuvor in England in Sicherheit gebracht. 1942 wurde das Ehepaar ins Ghetto Piaski deportiert. Dort verliert sich die Spur von Henriette Bergmann. Arthur Bergmann wurde nach Majdanek verschleppt und dort ermordet. Für beide wurde der 30. März 1943 als amtliches Todesdatum festgelegt.

 

Lichtentaler Straße 4 (ca. 11.55 Uhr):

Josef Oberle, Jg. 1890, Zeuge Jehovas, verhaftet 1936, KZ Kislau, KZ Mauthausen, 1937 KZ Dachau, entlassen 4.12.1940

Josef Oberle wurde 1930 als Zeuge Jehovas getauft. Er war zwischen 1936 und 1940 mehrfach inhaftiert, u.a. in den KZs Kislau, Mauthausen und Dachau. Wegen der Misshandlungen verlor er das rechte Augenlicht und sein Nervensystem wurde geschädigt.

 

Marktplatz 3 (ca. 12.25 Uhr)

Max Schweizer, Jg. 1883, eingewiesen 1909 Kreispflegeanstalt Hub,

„verlegt“ 21.10.1940 Grafeneck, ermordet 21.10.1940, „Aktion T4“

Als Halbwaise unter ärmlichen Verhältnissen aufgewachsen, seit 1909 wegen einer geistigen Behinderung in der Kreispflegeanstalt Hub, 1910 entmündigt, 1934 zwangsweise sterilisiert. Am 21. Okt. 1940 nach Grafeneck deportiert und im Rahmen der sogenannten Aktion „T4“ noch am selben Tag vergast.

 

Lilienmattstr. 20 (ca. 13.30 Uhr):

Marie Wolf, Jg. 1899, deportiert 1940 Gurs, ermordet 1942 Auschwitz

1939 nach Emigration der Schwester und ihrer Familie Umzug von Buchen (Odenwald) nach Baden-Baden. Am 22. Oktober 1940 ins Internierungslager Gurs in Südfrankreich verschleppt. Nach zwei Jahren unter harten Bedingungen und Entbehrungen am 12. August 1942 von Gurs über Drancy nach Auschwitz-Birkenau deportiert und ermordet.

Carl Mayer, Jg. 1883, gedemütigt / entrechtet, überlebt

Margarete Marie Mayer geb. Titz, Jg. 1898, ausgegrenzt / drangsaliert, überlebt

Karl Ludwig Mayer, Jg. 1936, gedemütigt / entrechtet, überlebt

Eleonore Johanna Mayer, Jg. 1924, ausgegrenzt / drangsaliert, überlebt

Weinhändler Karl Mayer und Familie lebten seit 1935 in Baden-Baden. Während der NS-Diktatur wurden er, die nicht-jüdische Ehefrau und die Kinder rassistisch und politisch verfolgt.

 

Markgrafenstraße 24 (ca.14.00 Uhr):

Walter Rothschild, Jg. 1890, Berufsverbot 1933, Flucht 1939 Schweiz

Charlotte Rothschild geb. Fiedler, Jg. 1893, Flucht 1939 Schweiz

Edgar Rothschild, Jg. 1924, Flucht 1937 Schweiz, 1939 England

Nach Berufsverbot und Entlassung Walter Rothschilds, Landgerichtsrats, 1933 Umzug der Familie von Hannover nach Baden-Baden, von dort 1939 in die Schweiz. Walter Rothschild litt bis zu seinem Tod 1950 an den Folgen der Misshandlung bei der Pogromnacht und in Dachau. Sohn Edgar musste schon 1937 vom Gymnasium Hohenbaden auf ein Internat in St. Gallen wechseln, 1939 nach England. Nach zeitweiliger Internierung Dienst in der britischen Armee mit Stationen in mehreren europäischen Ländern, nach dem Krieg Arbeit als Ingenieur und Lehrer.