geb. 04.09.1878 in Slupsk (Stolp, Pommern), gest. 30.04.1942 in Baden-Baden
Blaustein, Elisabeth, geb. Hitze de Waal
Blaustein, Minna, geb. Lewin
Blaustein, Bernhard
Syndikus der Handelskammer Mannheim
Lichtentaler Allee 16a (von Mannheim kommend, 1934-1936)
Fremersbergstraße 6 (1936-1942)
30. April 1942 Suizid
Arthur Blaustein wurde am 04.09.1878 in Stolp, Hinterpommern - heute: Slupsk/ Polen - geboren. Er stammte aus einer jüdischen Familie, die ihrer Gemeinde sehr verbunden war. Nach dem Abitur in seiner Heimatstadt und dem Umzug der Familie nach Berlin nahm er das Studium der Rechtswissenschaft, Nationalökonomie und Geschichte in Berlin, Leipzig und Heidelberg auf. 1902 wurde er in Heidelberg mit einer sehr gelobten Arbeit über die "Entstehung der gewerkschaftlichen Arbeiterbe-wegung im deutschen Sattlergewerbe" promoviert. Nach kurzen Beschäftigungen in Berlin und Braunschweig wurde Blaustein 1904 Mitarbeiter der Handelskammer Mannheim (heute IHK) und 1908 ihr Syndikus - was dem heutigen Hauptgeschäfts-führer entspricht. Arthur Blaustein hatte als einer der prägenden Wirtschaftsfunktionäre eine wichtige Stellung in der Stadt Mannheim erreicht.
1907 trennte er sich von seinem jüdischen Glauben, vollzog seine Assimilation mit der Taufe - er wurde evangelisch - und heiratete kurz darauf Elisabeth Hitze de Waal, die aus einer angesehenen katholischen Mannheimer Kaufmannsfamilie stammte. 1908 wurde der Sohn Werner und 1913 die Tochter Marianne geboren.
Die Handelskammer war Mitbegründerin der Mannheimer Handelshochschule. Arthur Blaustein wurde Dozent der Handelshochschule und brachte in seinen Veranstaltungen seine vielfältigen wirtschaftlichen und politischen Kenntnisse ein. 1923 wurde ihm aufgrund seiner wissenschaftlichen Qualifikation der Professorentitel als nebenamtlicher Dozent verliehen. Nicht unerwähnt bleiben soll auch seine große schriftstellerische Tätigkeit. Außerdem war er Mitbegründer des Rotary-Clubs in Mannheim.
Nach der Machtübertragung an Hitler im Januar 1933 wurde in Baden in kürzester Zeit die Gleichschaltung aller Wirtschaftsorganisationen umgesetzt, indem Juden und Liberale als erstes aus den Ämtern entfernt wurden. Die Mannheimer Handelskammer war von den Maßnahmen sehr schnell betroffen, da in der Kammerführung Juden überdurchschnittlich stark vertreten waren. Unter dem Druck der Ereignisse traten Präsident und Vizepräsident am 27. März 1933 zurück, Syndikus Arthur Blaustein wurde auf sein Ansuchen hin beurlaubt. Im April 1933 wurde Blaustein auf der Grundlage des Gesetzes zur Wiederherstellung des Berufsbeamtentums auch aus in der Handelshochschule Mannheim entlassen.
Das Ehepaar Blaustein siedelte im Jahr 1934 nach Baden-Baden um - und zog sich völlig zurück. Auch Elisabeth Blaustein hatte ihre soziale Tätigkeit als Vorsitzende des Bundes für Mutterschutz einstellen müssen. Der Sohn Dr. Werner Blaustein, Biologe, ging nach Turin/Italien. Die Eltern Blaustein wollten ihn noch vor seiner Emigration nach Amerika in Straßburg treffen. Werner Blaustein ist in Amerika nie angekommen. Er verstarb nach der Inhaftierung im KZ Dachau an Lungentuberkulose.
Die Tochter Marianne überlebte zeitlebens schwerbehindert einen Bombenangriff und hatte nach dem Krieg ein schweres Schicksal. Sie starb mit 62 Jahren in einem Pflegeheim.
Elisabeth Blaustein erkrankte an Tuberkulose. Sie starb am 02.04.1942 im Luisenheim Mannheim, dem Wöchnerinnenasyl der Badischen Schwesternschaft vom Roten Kreuz.
Otto Flake schreibt in seinen Erinnerungen: "Als seine (also Blausteins )Frau starb, verlor er den Schutz, den die arisch Verheirateten genossen. Die Restaurants wiesen ihn als Gast ab, ein Geschäftsinhaber weigerte sich, ihn zu bedienen; er ging nach Hause und erschoß sich". (Flake, Otto: Es wird Abend, Bericht aus einem langen Leben, Frankfurt/M. 2005, S. 491 Blaustein erschoss sich nicht, sondern beging nur vier Wochen nach dem Tod seiner Frau Suizid durch Gift. - In diesen knappen Worten Flakes wird das Drama Blausteins deutlich, der Menschenwürde beraubt worden zu sein. Während Elisabeth Blaustein in Baden-Baden katholisch bestattet wurde, erhielt Arthur Blaustein als Judenchrist und/ oder aufgrund seines Selbstmordes keine kirchliche Beerdigung.
Heidi Buch
StABAD A23/45; StABAD A23/13; StABAD A5/Meldekarte; StABAD A6/3; HStAS 99/001; StAF F 196/1 Nr. 8073; Marchivum ZGS-Mappe S1/2843; Gedenkbuch Bundesarchiv; https://de.wikipedia.org/wiki/Arthur_Blaustein (Zugriff 29. Juni 2022); https://www.leo-bw.de/detail/-/Detail/details/PERSON/kgl_biographien/1012177947/Blaustein+Arthur.
Hier wohnte
DR. ARTHUR BLAUSTEIN
JG. 1878
FLUCHT IN DEN TOD
30. APRIL 1942
Stolperstein Fremersbergstraße 6, verlegt am 17. März 2023