geb. 18.05.1895 in Heidelberg, gest. 13.04.1983 in London

Ehepartner:

Eggarter, Richard (geschieden)

Eltern:

Marcus, Paula, geb. Reich
Marcus, Moritz

Beruf:

Sekretärin, Schauspielerin

Adressen:

Stephanienstraße 7 (von Heidelberg kommend, 1926-1933)
Lichtentaler Straße 104 (1933-1938)
Seelachstraße 1 (1938)
Hauptstraße 20 (1938-1939)

Weiteres Schicksal:

Am 27. Juni 1939 Emigration nach Claverdon, England

Bild(er):
Tondokument(e):
Emilio Padrón, 2023
Für die Verfolgten, für die 2023 ein Stolperstein verlegt wurde, komponierte der kubanische Komponist Emilio Padrón ein Musikstück, um ihr Leben mit individuellen Tönen und Klängen widerhallen zu lassen.

Charlotte Eggarter, geb. Marcus, kam am 18.5.1895 als Tochter des Kaufmanns Moritz Marcus und seiner Ehefrau Paula, geb. Reich in Heidelberg zur Welt. Sie besuchte die Oberrealschule in Heidelberg bis zur Obersekunda, danach ging sie für ein Jahr auf die Handelsschule des Lette Vereins in Berlin. Es folgten Anstellungen als Buchhalterin und Privatsekretärin in ihrer Heimatstadt Heidelberg, bevor sie 1913 eine Laufbahn als Schauspielerin unter dem Künstlernamen Charlotte Mahr einschlug und u.a. Engagements am Stadttheater Würzburg (1917 und 1918), Stadttheater Gleiwitz 1919 und Stadttheater Konstanz 1920 erhielt.

1920 heiratete sie den österreichischen Schauspieler Richard Eggarter. Noch im gleichen Jahr kam Tochter Dorothea zur Welt, fünf Jahre später Tochter Renate. Seit der Geburt der Kinder ging Charlotte Eggarter ihrem Beruf nicht mehr nach, während ihr Mann Engagements in Darmstadt, Berlin und Baden-Baden hatte. 1926 zog das Paar nach Baden-Baden, wo Richard Eggarter beim Stadttheater Baden-Baden ein festes Engagement für 10 Jahre bekam. 1929 hielt das Ehepaar gemeinsam literarische Vorträge im Kurhaus. Und schließlich begann Charlotte Mahr auch ab 1929 wieder in ihrem alten Beruf Fuß zu fassen. In der Spielzeit 1930/31 trat sie mehrfach gastweise in Baden-Baden auf. In Heinrich von Kleists "Prinz von Homburg" schlüpfte sie in die Rolle der Prinzessin Natalie, in "Der Thor und der Tod" von Hugo von Hoffmansthal spielte sie das Mädchen. Theaterdirektor Klupp war von ihrem Können angetan und plante eine Festanstellung. Doch dazu sollte es nicht mehr kommen, denn er wurde wegen seiner jüdischen Frau am 31.3.1933 entlassen. Auch Charlotte Eggarter hatte nach der Machtübertragung auf die Nationalsozialisten keine Chance mehr, wegen ihrer jüdischen Wurzeln als Schauspielerin eine Anstellung zu erhalten: jüdische Künstler und Künstlerinnen gehörten zu den ersten, die aus dem Berufsleben ausgeschaltet wurden. Das Ehepaar Eggarter trennte sich 1938. Im Wiedergutmachungsverfahren weist der Rechtsanwalt von Charlotte Eggarter darauf hin, dass der "arische" Ehemann 1936 zunächst versuchte, eine Anstellung in Berlin zu finden, dann in seiner Heimatstadt Wien. Als er auch dort wegen der jüdischen Abstammung der Ehefrau keine Arbeit mehr fand, reichte er die Scheidung ein. Die spärlich erhaltenen Akten zeigen, dass das Ehepaar auch nach der Scheidung im Kontakt blieb. Richard Eggarter kam 1939 für drei Monate aus Wien nach Baden-Baden, als die ehemalige Ehefrau und die jüngere Tochter Renate die Emigration nach England vorbereiteten. Später bemühte er sich mehrfach mit Erfolg darum, dass das Umzugsgut (Möbel und anderer Hausrat) nicht im Bombenhagel in Hamburg, wo es zwischengelagert war, verlorenging. So ließ er beispielsweise alles nach Teplitz-Schönau im Sudetenland bringen, wo er zwischen 1940 und 1943 ein Engagement hatte, und sorgte später dafür, dass es nach dem Krieg nach Oxford kam.

Nach der Trennung der Eheleute besuchte Charlotte Eggarter einen Kursus für Schönheitspflege und Pediküre in Berlin, um sich 1937-1938 mit Hand- und Fußpflege einen Lebensunterhalt in Baden-Baden zu verdienen. Sie hatte hauptsächlich jüdische Kunden und kam regelmäßig in das Sanatorium Heinsheimer (jüdische Inhaber), gelegentlich auch in das Sanatorium Quisisana. Außerdem unterstützte sie der Bruder finanziell. Dank einer Arbeitserlaubnis als Haushaltshilfe konnte sie im Juni 1939 mit ihrer damals 13jähigen Tochter Renate nach Claverdon, einem Dorf im englischen Warwickshire emigrieren. Zwischen 1943 und 1947 arbeitete sie in einem Buchladen in Oxford. Danach fand sie erneut eine Stelle als Haushaltshilfe. Zu ihrem eigentlichen Beruf als Schauspielerin hatte sie in England nie wieder zurückkehren können. "Ich weiß, dass mein Leben anders verlaufen wäre, wenn der Nationalsozialismus es nicht in Stücke zerbrochen hätte" schrieb sie 1960 an das deutsche Gericht im Entschädigungsverfahren.

Ihren Bruder Fritz Marcus hatte es nach Kapstadt verschlagen, die Schwester Johanna Zori in ein Kibbuz nach Israel. Ihre jüngere Tochter Renate (Renata Harvey) wurde bereits am 6.12.1938 in Baden-Baden abgemeldet und ging ab 20.12.38 auf die Tetbury School in Gloucester. Den Akten ist nicht zu entnehmen, ob sie mit ihrer Mutter zusammen nach England ging oder vorausgeschickt wurde. Später lebt sie in Cornwall. Die ältere Tochter Dorothea Eggarter (Dorothy Stedman) flüchtete am 28.9.38 aus Baden-Baden nach Löwen, eine östlich von Brüssel gelegene Stadt. Später ging sie nach Kanada.

Charlotte Eggarters erster Antrag auf Entschädigung wegen Schäden beim beruflichen Fortkommen von 1957 wurde abgewiesen, 1961 - nach einer Revision des Wiedergutmachungsgesetzes - wurde ihrem Antrag entsprochen und sie erhielt auf ihren Wunsch hin eine Entschädigung in Form einer monatlichen Rente. Charlotte Eggarter starb am 13.4.1983 in England, London.

Zusammenstellung: Angelika Schindler

Quellen/Literatur:

StABAD A23/29; StABAD A23/27; StABAD A5/Meldekarte; StAF F 196/1 Nr. 11253

Hier wohnte
CHARLOTTE EGGARTER
GEB. MARCUS
JG. 1895
FLUCHT 1939
ENGLAND

Stolperstein Hauptstraße 20, verlegt am 17. März 2023