geb. 21. März 1866 in Trier

Adressen:

Gernsbacher Straße 53 (1935)

Bild(er):

Lebenslauf für die Beantragung eines Reisepasses, Mai 1938

"Baden-Baden, den 3. Mai 1938

Mein Lebenslauf
Ich bin in Trier an der Mosel am 21. März 1866 geboren, wo mein Vater, Dr. Alexander Levy, Kreiswundarzt und praktischer Arzt war. Meine Mutter war Pfälzerin. Nach dem Kriege im Jahre 1871 erhielt mein Vater in Hagenau im Elsass Anstellung als Anstalts- sowie als Bahnarzt. In späteren Jahren wurde er Kreisarzt und erhielt den Titel Geheimer Medizinalarzt. Mein Vater wirkte sehr für die Germanisierung des Reichslandes, gründete den Kolonial- und Flottenverein, an dessen Spitze er stand. Ich verbrachte meine Jugend in Hagenau, besuchte die höhere Töchterschule daselbst und heiratete im Jahre 1894 den Schlesier David Katschinsky. Im Jahre 1908 starb mein Vater. Einige Jahre später, 1912, zog ich mit meinem Mann und meinen vier Kindern, nach Aufgabe unseres Geschäftes nach Straßburg im Elsass, wo mein Mann Stellung als Einkäufer im Hause Tietz fand. Als der Krieg ausbrach, meldete sich mein ältester Sohn als Freiwilliger; ihm folgten seine beiden Brüder an die Front und kämpften mit Auszeichnung. Nach Beendigung des Krieges wurde mein Mann als einer der Ersten ausgewiesen, wegen seiner patriotischen Einstellung. Er ging nach Berlin, wo er im Hause Tietz Beschäftigung fand. Später betätigte er sich als Vertreter. Er starb im Jahre 1926 und ließ mich und meine Tochter mittellos zurück. Meine Söhne sorgten für unseren Unterhalt und als meine Tochter schwer an der Lunge erkrankte, ermöglichten sie der Kranken und mir einen 2 ½ jährigen Aufenthalt in Gries bei Bozen, wo meine Tochter wieder vollständige Heilung fand, sodass sie, nach Berlin zurückgekehrt, als Sekretärin tätig sein und für unseren Unterhalt mittragen konnte. Im Jahre 1933 verlor sie ihre Stelle und wir begaben uns zu Verwandten nach Brüssel, wo meine Tochter einige Zeit verblieb, während ich Aufnahme bei meinen Schwestern in Köln und Oberhausen/Rheinland, fand. Später folgte meine Tochter ihrem Bräutigam nach Sao Paulo, wo sie heirateten. Da mein Schwiegervater als Rechtsanwalt in Deutschland nicht mehr seinen Beruf ausüben durfte. Bevor meine Tochter sich nach Brasilien begab, wohnte ich noch mehrere Monate in Lichtenfels mit ihr zusammen, wo mein Sohn mit seiner Familie lebte. Im Sommer 1935, nach der Abreise meiner Tochter, zog ich zu meiner Schwester Fräulein Hedwig Levy, Gernsbacher Straße 53. Außer einer Witwenrente, RM 39,70, gab mir mein in Deutschland wohnender Sohn das notwendige Geld zum Leben. Mein ältester Sohn ist schon seit Jahren nicht mehr in der Lage, mich unterstützen zu können. Auch mein jüngster Sohn, der im Jahre 1933 nach London auswanderte, konnte mir bis zum Sommer nichts zuwenden. Doch verlebte ich einige Monate bei ihm. Da mein 2. Sohn im Herbst ausgewandert ist, und selbst schwer um seine und seiner Familie Existenz zu ringen hat, kann auch er nichts mehr zu meinem Unterhalt beitragen. Der Aufenthalt bei meinem Sohn in London, vorerst einige Monate, erleichtert mir das Durchkommen. Ich möchte noch bemerken, dass wir zu jener Zeit in Straßburg alles zurücklassen mussten.

Im Juli 1938 erneuter Antrag. Nun Ausstellung eines Reisepasses mit Gültigkeit bis 31. Dezember 1939.

Quellen/Literatur:

StABAD A323/45; StABAD A23/13; StABAD A23/37; StAF F 196/2 Nr. 879