geb. 4. Februar 1914 in Baden-Baden

Adressen:

Rettigstraße 1 (1914-1920)
Sonnenplatz 1 (1920-1932, von Würzburg kommend 1933-1935)

Als Schülerin hatte sie noch lauthals "Deutschland über alles" zusammen mit ihren Klassenkameraden gesungen, auch an dem Tag, "als ein großer Zeppelin über Baden-Baden flog. Wir Schüler durften auf den Hof. Wir waren damals voller Freude und ich habe aus ganzem Herzen das Deutschlandlied gesungen". 1920 war Ruth Köhler in die Grundschule gekommen, später besuchte sie die Höhere Töchterschule. Bis zu ihrem Abitur 1932 an der Ober-Realschule fühlte sie sich in Baden-Baden wohl, hatte christliche und jüdische Freunde. Doch Deutschland hörte auf, ihr Land zu sein, als sie vom Studium ausgeschlossen wurde.

Nach dem Abitur hatte sie begonnen, in Freiburg Zahnmedizin zu studieren und wechselte zum zweiten Semester nach Würzburg. Wegen der NS-Rassegesetzgebung musste sie aber bald ihr Studium abbrechen. Als Studentin wurde ihr schnell klar, dass "Juden nicht mehr in Deutschland leben und arbeiten konnten und dass mein Weg nur nach Palästina führen konnte". Ab 1933 besuchte sie deshalb für ein Jahr die vom Jüdischen Frauenbund gegründete jüdische Frauenschule in Wolfratshausen in der Nähe von München. Innerhalb von zwei Semestern wurden die Mädchen dort auf ihre zukünftigen Aufgaben in Haushalt und Landwirtschaft vorbereitet und erhielten Grundlagen für wirtschaftliche, soziale und pädagogische Berufe. Die Schule wurde ab 1934 als Ausbildungsstätte für junge Jüdinnen, die auswandern wollten, anerkannt. In Wolfratshausen bekam Ruth Grebenau zum ersten Mal Kontakt mit den "Werkleuten", einem jüdischen Jugendbund, der zionistische Ideen vertrat und sich für die Auswanderung nach Palästina stark machte. Auch dies bestärkte sie in ihrem Wunsch zu gehen. Deshalb verbrachte sie 1934/1935 einige Zeit im elterlichen Betrieb. Ihren Eltern gehörte das Hotel Tannhäuser, ein rituell geführtes Haus, das seiner jüdischen Kundschaft eine koschere Küche bot. Es hatte seinen Standort am Sonnenplatz 1. Hier lernte sie beim langjährigen Küchenchef Schneider kochen. Er selbst war zwar kein Jude, kannte sich aber bestens aus in der Zubereitung koscherer Speisen.

Eigentlich hatte Ruth Köhler so schnell wie möglich, Deutschland verlassen wollen. Doch die Eltern mochten ihr einziges Kind zunächst nicht ziehen lassen. Erst mit ihrer Volljährigkeit mit 21 Jahren konnte Ruth Köhler ihre Entscheidung durchsetzen. Im Februar 1935 ging sie probeweise für einen Monat nach Palästina, im November 1935 dann für immer. Die erste Zeit konnte sie bei einer weitläufigen Verwandten der Mutter in Haifa unterkommen. Sie fand bald eine Stelle als Köchin in einem Krankenhaus, später in einem Restaurant. Wie so viele andere jüdische Emigrantinnen war sie - entgegen ihrer eigenen Berufswünsche - in einem der traditionellen Frauenberufe tätig, die in den Auswanderungsländern die größten Chancen bei einem Neuanfang boten. In den 50er und 60er Jahren arbeitete sie dann als Schneiderin.

Ihre Eltern kamen 1936 zu einem kurzen Besuch nach Palästina und dann wieder im Oktober 1937 zur Hochzeit ihrer Tochter mit dem aus Frankfurt stammenden Moshe Grebenau. Bei dieser Gelegenheit versuchte Ruth Köhler verzweifelt, sie zum Bleiben zu überreden. Doch sie verkannten, wie bedrohlich ihre Lage in Deutschland war, und kehrten in ihre Heimatstadt zurück. Nur ein Jahr später kam ein verzweifeltes Telegramm aus Baden-Baden. Die Mutter bat um ein Einreisevisum für den am 10. November 1938 nach Dachau deportierten Vater. Doch vergeblich, Tochter Ruth konnte bei den Behörden nichts für ihre Eltern erreichen. Das letzte Lebenszeichen, das sie von ihnen erhielt, kam aus dem Internierungslager Gurs. 1942 wurden sie in Auschwitz ermordet.

Quellen/Literatur:

Die Informationen zu diesem Lebenslauf basieren auf Briefen von Ruth Grebenau an Angelika Schindler zwischen 1991 und 1994.
StABAD A23/13; StABAD A26/23-295; StABAD A5/Meldekarte
Schindler, Angelika: Der verbrannte Traum. Jüdische Bürger und Gäste in Baden-Baden, Baden-Baden ²2013, S. 82 ff., 290 Anm. 3.
https://frauennetzwerk-baden-baden.de/details-kurse-workshops/ein-stolperstein-fuer-eine-frau.html (Zugriff: 09.10.2020)

Hier wohnte
RUTH KÖHLER VERH. GREBENAU
JG. 1914
FLUCHT 1935 PALÄSTINA





Stolperstein Sonnenplatz 1, verlegt am 04.03.2020