geb. 11.08.1880 in Gau-Odernheim, gest. 17.08.1942 in Auschwitz

Eltern:

Köhler, Johanna, geb. Heil
Köhler, Hermann

Kinder:

Köhler, Ruth Irene (verh. Grebenau)

Beruf:

Hotelier

Adressen:

Rettigstraße 1 (von Frankfurt kommend, 1912-1920)
Sonnenplatz 1 (1920-1939)
Sophienstraße 22 (1939-1940)

Weiteres Schicksal:

Am 22. Oktober 1940 Deportation nach Gurs, am 17. August 1942 in Auschwitz ermordet

Bild(er):

Theodor Köhler wurde am 11. August 1880 in Gau-Odernheim geboren. Seine Eltern waren der Kaufmann Hermann Köhler und seine Frau Johanna, geb. Heil. Bis zu seinem 13. Lebensjahr besuchte Theodor die Volksschule in Gau-Odernheim, anschließend bis zur 11. Klasse die Realschule in Alzey. Mit der Berechtigung zum einjährigen Militärdienst wurde er 1897 entlassen. Daraufhin absolvierte er eine zweijährige kaufmännische Lehre in Mainz und arbeitete anschließend zwei Jahre in Worms, danach zwölf Jahre in Frankfurt in seinem Beruf.

Am 5. Dezember 1912 heiratete er Auguste Stern, die in Baden-Baden das Hotel Tannhäuser führte. Nach der Hochzeit unterstützte er seine Frau im Hotelbetrieb. Zwei Jahre später, am 4. Februar 1914, kam ihre gemeinsame Tochter Ruth zur Welt. Nur sechs Monate später wurde Theodor Soldat im Ersten Weltkrieg und kehrte erst 1918 aus russischer Kriegsgefangenschaft zurück. Auguste führte in dieser Zeit das Hotel alleine. Nach seiner Rückkehr stieg er in den Betrieb ein und übernahm schon bald die Leitung. Am 10. Dezember 1918 erhielt die Familie die badische Staatsangehörigkeit. 1919 verlegte das Ehepaar das Hotel von der Rettigstraße zum Sonnenplatz 1 und richtete dort, in der Nähe der Synagoge, ein Haus mit 20 Gästezimmern ein.

Familie Köhler lebte ihren jüdischen Glauben aktiv. "Mein Elternhaus war sehr religiös-jüdisch, wir wussten immer, dass wir Juden waren und empfanden das als völlig natürlich", erinnerte sich die Tochter Ruth viele Jahre später.

Aufgrund der NS-Rassengesetzgebung musste Tochter Ruth ihr Zahnmedizinstudium in Freiburg und Würzburg aufgeben. Daraufhin wanderte sie mit 21 Jahren 1935 nach Palästina aus.
Im Gegensatz zu Ruth nahmen Auguste und Theodor Köhler die heraufziehende Gefahr des Nationalsozialismus zunächst nicht wahr. Das Hotel beanspruchte all ihre Kräfte, und über einen Gästemangel konnten sie sich nicht beklagen. Die Köhlers konnten das Hotel ohne größere Einschränkungen bis zum Novemberpogrom fortführen. Am 24. Juli 1937 wurden sie jedoch gezwungen, das gesamte weibliche nichtjüdische Personal zu entlassen.

Im Oktober desselben Jahres besuchten die beiden ihre Tochter anlässlich deren Hochzeit in Palästina. Ruth versuchte ihre Eltern zum Bleiben zu überreden. Während ihres Aufenthalts ergaben sich sogar Angebote, ein Hotel in Haifa oder Safed zu eröffnen. Doch ihre Eltern waren nicht zur Emigration zu bewegen. Der Vater insistierte darauf, dass er "Frontkämpfer" im Ersten Weltkrieg und lange in Kriegsgefangenschaft gewesen war. Außerdem lief das Hotel in Baden-Baden gut und die Eltern hatten Angst davor, mit einem Hebräisch sprechenden Personal nicht umgehen zu können. Zudem hatten sie während einer Zugfahrt die arabisch-jüdischen Kämpfe hautnah miterlebt: "Ihre Angst vor den Arabern war größer als die Angst vor den Nazis", stellte Ruth schließlich fest und musste ihre Eltern wieder nach Deutschland ziehen lassen.

Bis zum Novemberpogrom 1938 konnten Auguste und Theodor Köhler den Betrieb des Hotels noch aufrechterhalten, waren dann jedoch zur Aufgabe des Hotel- und Restaurationsbetriebes und zum Verkauf des Hauses gezwungen. In Erwartung ihrer baldigen Auswanderung bezogen sie eine Wohnung im Haus Sophienstraße 22. Am 10. November 1938, dem Tag, an dem in Baden-Baden die Synagoge brannte, bekam Ruth von ihrer Mutter ein Telegramm: "Schick' sofort eine Einreiseerlaubnis nach Palästina!" Trotz aller hektischer Bemühungen konnte sie ihren Eltern nicht mehr helfen.

Im Frühjahr 1939 versuchten die Köhlers einen Reisepass zur Auswanderung in die USA zu beantragen - jedoch erfolglos. Am 22. Oktober 1940 wurden Theodor, Auguste und ihre Schwester Eugenie in das französische Internierungslager Gurs deportiert. Auch aus dem Lager heraus setzte Theodor seine Auswanderungsbemühungen fort. Sie blieben auch deswegen erfolglos, weil die Gestapo Karlsruhe noch im Februar 1941 staatspolizeiliche Bedenken gegen die Ausstellung von Reisepässen an Köhler, seine Frau und seine Schwägerin Eugenie äußerte. Auguste und Theodor Köhler wurden im August 1942 über das Sammellager Drancy nach Auschwitz transportiert und dort ermordet. Eugenie gelang die Ausreise in die USA zu ihrer Tochter.

Das Todesdatum von Theodor Köhler wurde auf den 17. August 1942 amtlich festgesetzt.

"Theodor Israel Köhler, Camp de Gurs (France), Basses Pyrénées, Ilot G, Baraque 16 30. Dezember 1940
Einschreiben
An die Polizeidirektion Baden-Baden
Bitte um Zusendung der bereits beantragten Reisepässe (möglichst mit 1 Jahr Gültigkeit) sowie Leumundszeugnisse für endunterzeichnete Personen. Damit die eigenhändige Unterschrift in Gegenwart einer Amtsperson (Waagmester) geleistet werden kann, bitte ich, die Pässe zu diesem Zweck an die Lager-Kommandantur Camp de Gurs, France, Basses Pyrénées per Einschreiben zu senden. Etwa entstehende Unkosten bitte ich, meinem Sperrkonto bei der Deutschen Bank in Baden-Baden zu entnehmen. Unsere Wohnung ist Baden-Baden, Sophienstraße 22.
Theodor Israel Köhler
Auguste Sara Köhler, geb. Stern
Eugenie Sara Weil, geb. Stern" (Eingangsstempel: 13. Januar 1941)

Lebenslauf für die Beantragung eines Reisepasses:

"Lebenslauf
des Theodor Israel Köhler, Baden-Baden, Sophienstraße 22

Ich bin am 11. August 1880 in Gau-Odernheim (Kreis Alzey) geboren. Mein Vater hieß Hermann Köhler, meine Mutter Johanna, geb. Heil. Ich besuchte die Volksschule in Gau-Odernheim bis zum 13. Lebensjahr, alsdann die Realschule in Alzey bis einschließlich Obersekunda, und wurde im Jahre 1897 mit der Berechtigung zum Einjährigen Militärdienst entlassen. Alsdann zweijährige kaufmännische Lehrzeit in Mainz. Von 1899 bis 1900 war ich in Worms als kaufmännischer Angestellter tätig, von 1900 bis Dezember 1912 ebenfalls als kaufmännischer Angestellter in Frankfurt am Main.
Am 8. Dezember 1912 verheiratete ich mich mit Auguste, geb. Stern, Inhaberin des Hotels Tannhäuser in Baden-Baden, und verlegte meinen Wohnsitz hierher. Unsere Tochter Ruth ist 1935 nach Palästina ausgewandert.
Im Weltkrieg kam ich 1915 zum Regiment 250 10. Kompagnie an die Ostfront und geriet am 21. März 1916 in der Schlacht am Narotsch-See mit dem Regiment in russische Gefangenschaft. Nachdem ich 1918 aus Gefangenschaft zurück war, wurde ich im November 1918 aus dem Militärdienst entlassen. Zur Erinnerung an den Weltkrieg 1914-1918 wurde mir das Ehrenkreuz für Frontkämpfer verliehen. Ich übernahm sodann wieder die Führung des Hotels bis zu dessen polizeilicher Schließung im November 1938.
Ich beabsichtige mit meiner Frau nach USA auszuwandern und bitte um Ausstellung eines Auslandspasses."

Quellen/Literatur:

StABAD A23/45; StABAD A5/Meldekarte; StABAD A23/37; StABAD A43/1912; StAF F 196/1 Nr. 11831; HStAS 99/001; Gedenkbuch Bundesarchiv
Raichle, Christoph: Die Finanzverwaltung in Baden und Württemberg im Nationalsozialismus, Stuttgart 2019, S.583 f.
Schindler, Angelika: Der verbrannte Traum. Jüdische Bürger und Gäste in Baden-Baden, Baden-Baden ²2013, S. 36, 82 ff, 290 Anm. 3.

Hier wohnte
THEODOR KÖHLER
JG. 1880
DEPORTIERT 1940 GURS
ERMORDET 1942 IN AUSCHWITZ


Stolperstein Sonnenplatz 1, verlegt am 04.11.2008