geb. 17.12.1881 in Gaggenau (Bad Rotenfels), gest. 24.05.1940 in Grafeneck
Kohlbecker, Euphrosina, geb. Stößer
Kohlbecker, Richard
Köchin
Inselstraße 6 (1917)
Hirschstraße 12 (1917, nach Rotenfels)
Werderstraße 15 (von Rotenfels kommend, 1920)
Gernsbacher Straße 24 (1922)
Gernsbacher Straße 6 (1922)
Schloßstraße 17 (1922-1923)
Lichtentaler Straße 25 (1923)
Stadelhoferstraße (1923)
Stadelhoferstraße 16 (1923)
Stephanienstraße 15 (1924)
Stephanienstraße 4 (1926-1929)
Am 24. Mai 1940 in Grafeneck ermordet
Franziska Kohlbecker wuchs in einer kinderreichen Familie im Dörfchen Rotenfels bei Gaggenau auf. Ihre Eltern waren der Landwirt Richard Kohlbecker und Euphrosina Kohlbecker, geb. Stößer.
Nach der Schule war Franziska in der elterlichen Landwirtschaft tätig, ab 1917 verdiente sie als Haushaltshilfe und Köchin in Baden-Baden ihren Lebensunterhalt. Dabei wechselte sie ihre Stelle sehr oft; nur ihre letzte Stellung bei Franz Bitterich behielt sie über einen längeren Zeitraum.
Franziska Kohlbecker war als Kind an spinaler Kinderlähmung erkrankt, wovon eine Behinderung des rechten Beins zurückgeblieben war. Ansonsten wird sie in den Akten jedoch als körperlich kräftige Person beschrieben. Doch offenbar zeigten sich schon früh seelische Störungen. Ihre Familie, so berichtete sie, habe sie "immer als verrückt bezeichnet".
Im April 1929 wurde Franziska Kohlbecker ins Städtische Krankenhaus eingeliefert. Nach dem ärztlichen Zeugnis litt sie unter Wahnideen, Bezirksarzt Dr. Walther diagnostizierte Schizophrenie. Er ordnete die Aufnahme in eine öffentliche oder private Irrenanstalt an, und Franziska Kohlbecker wurde in die Heil-und Pflege-Anstalt Illenau verbracht. Wegen ihrer Weigerung, sich einweisen zu lassen, wurde ihr Morphium verabreicht.
Franziska Kohlbeckers paranoide Wut richtete sich vor allem gegen die katholische Geistlichkeit und Kirche, von der sie sich hintergangen und missbraucht fühlte. Sie schrieb Briefe, die sie stets ausdrücklich mit "Jungfrau" Franziska Kohlbecker unterzeichnete, und verlangte, dass man sie so auch anspreche. Je länger sie in stationärer Behandlung verblieb, desto mehr wurden auch ihre Ärzte und Pfleger, aber auch ihre Angehörigen Ziel ihrer Ausfälle, die sie in teils derber Sprache beleidigte. Am wohlsten fühlte sich Franziska Kohlbecker offenbar in den Momenten, in denen sie mit sich alleine war.
Im Januar 1931 unterzog man Franziska Kohlbecker einer Dauerschlafkur. Dabei wurden die Patienten über mehrere Tage in einem künstlichen Schlafzustand gehalten. Man versprach sich davon eine Beruhigung der Kranken. Bei Franziska Kohlbecker trat dieser Effekt tatsächlich ein, doch hielt er nur für kurze Zeit an.
1932 wurde Franziska Kohlbecker nach Emmendingen verlegt. Doch auch dort blieben alle Heilungsversuche ohne Erfolg. Deshalb verbrachte man sie im Juli 1934 in die eben erst gegründete Pflegeanstalt Rastatt, wo als unheilbar geltende Patientinnen und Patienten nur mehr verwahrt, aber nicht mehr therapiert wurden.
Die Einträge in der Patientenakte werden seltener, in manchen Jahren erfolgte überhaupt keine Notiz - ein Zeichen dafür, dass die Kranken sich selbst überlassen waren. 1939 wurde die Pflegeanstalt Rastatt geräumt, die Patientinnen und Patienten nach Zwiefalten verlegt. 1940 lautete die abschließende Diagnose "Schizophrener Defektzustand".
Franziska Kohlbecker wurde 1940 nach Grafeneck deportiert und dort ermordet. Als offizielles Todesdatum beurkundete das Sonderstandesamt Grafeneck den 25. Mai.
StABAD A5/Meldekarte; StAF E 120/1 Nr. 9795; BArch R179/2254
Hier wohnte
FRANZISKA KOHLBECKER
JG. 1881
SEIT 1929 MEHRERE HEILANSTALTEN
"VERLEGT" 4.5.1940
GRAFENECK
ERMORDET 4.5.1940
"AKTION T4"
Stolperstein Stephanienstraße 4, verlegt am 18. Oktober 2021