geb. 28.05.1884 in Baden-Baden, gest. 15.07.1940 in Grafeneck (offiziell: Sonnenstein)

Eltern:

Link, Sophie, geb. Lory
Link, Johann||Stiefvater: Hoffner, Karl

Beruf:

Näherin

Adressen:

Stephanienstraße 35 (1910-1912)
Lange Straße 46 (1912-1914)
Lichtentaler Straße 23 (1914)
Rettigstraße 20 (1914-1915)
Stahlbadstraße 1 (1915-1918)
Stephanienstraße 35 (1918-1935, nach Achern (Illenau))

Weiteres Schicksal:

Am 15. Juli 1940 in Grafeneck ermordet

Bild(er):

Sofie Link wurde mit 46 Jahren auf Antrag der Mutter in das Krankenhaus Baden-Baden eingeliefert, den ärztlichen Berichten zufolge aufgrund innerer Unruhe und wegen einer Handverletzung, die sie sich durch eigenhändiges Einschlagen des Fensters zugezogen hatte. Sie leide, hieß es, unter Wahnvorstellungen.
Bezirksarzt Dr. Walther erstellte ein ärztliches Zeugnis und hielt darin fest: "Die ganze Persönlichkeit macht einen krankhaft verschrobenen Eindruck." Dr. Walther bescheinigte Sofie Link eine eher unterdurchschnittliche Intelligenz. Irritierend war vor allem, dass sie angab, zwei Kinder zu haben, sich an die Entbindungen jedoch nicht zu erinnern. Dr. Walther hielt eine Einweisung in die Heil- und Pflegeanstalt Illenau für geboten. Die Aufnahme erfolgte am 16. April 1930.

In der Anstalt verfasste Sofie Link folgenden eigenhändigen Lebenslauf:
"Ich verlebte eine schöne Jugend. Ich hatte bis zum 9. Lebensjahr meinen geliebten Vater, meine liebe Mutter, auch Grossmutter u. Tante, einen Onkel, welcher krank und leidend war - - er war sehr gut, aber ich erlebte durch ihn als kleines Kind schon viele Schrecken und Ängste. Mit 48 Jahren starb er in einem Krankenhaus, er stürzte von den Felsen u. von dem Tage an war er krank. Ich wollte ihn immer besuchen, aber man ließ mich nicht hin. Jahrelang hatte ich Sehnsucht nach ihm. Auch meine Tante u. Grossmutter waren alle sehr gut zu mir. Man sagte mir, ich sei zu früh geboren. Ich ging als 6-jähriges Kind in die Handarbeitschule u. später in die Französische Stunde. Trotzdem half ich als [ab und zu] der Grossmutter alles arbeiten. Auch habe ich für ein Geschäft, wo meine Tante in Arbeit stund, Besorgungen gemacht. Ich ging oft in den Wald u. holte Holz, auch Heidelbeeren u. Himbeeren. Habe auch oft gestrickt u manchesmal genäht, Holz getragen, gewaschen u. sonst noch allerhand. Meine Mutter heiratete dann wieder, von da an gefiel mir das Leben nur noch halb so gut. Ich bekam mit 15 Jahren meine Periode, vorher war ich immer gesund. Nachdem wurde ich ein paar mal krank, ich bekam mehrere Ohnmachten. Ich hatte ein paar Mal Bronchialkartar, Rippenfällentzündung, Kopfschwäche, rheumatische Kopfschmerzen u. Kopfgrippe. Herr Medizinalrat Krieg hat mich meistens behandelt. Meine Mutter war ja eine sehr gute Frau, sie war ja mit mir auch sehr gut bis mein jüngster Bruder gefallen im Felde an einem Bauchschuss. Fröhlich u. lustig u. gern ging er fort; er war sozusagen meine Sonne; er sorgte für mich, er gab der Mutter oft Geld u. auch mir. [...] Ein Bruder verheiratete sich nach Staufenberg. Er hat vier Kinder. Die andern zwei Geschwister gingen nah Amerika, ein Bruder nach Massilon im Stadt Ohio u. die Schwester nach Pitzburg. Ich hatte mein ganzes Leben an Sehnsucht gelitten."

Sofie Link war eine ruhige Patientin, die eher durch Teilnahmslosigkeit als durch Unruhe auffiel. Da sie weder für sich noch für andere eine Gefahr darstellte, konnte sie nach einem dreimonatigen Aufenthalt in der Illenau nach Hause entlassen werden.

Doch schon ein Jahr später musste Sofie Link wegen einer akuten Depression erneut in die Heil- und Pflegeanstalt Illenau eingewiesen werden. Auslöser war ein Streit mit der Mutter. In einem Brief an die Mutter, geschrieben wenige Tage nach der erneuten Einweisung, klagte sie: "Mit mir hat man auf der Welt gemacht, was man gewollt hat. Ich hab 4 Tag nicht schlafen können vor Alteration. Ich kann nichts dafür, dass ich so schwach und zu früh geboren bin... Und seid her geht man mit einem um wie mit einem Schulumpen... Ich war ja immer 5. Rad am Wagen." Mit der Diagnose Schizophrenie im Endzustand wurde Sofie Link im Herbst 1932 in die Kreispflegeanstalt Hub überwiesen. Das ärztliche Zeugnis des überweisenden Arztes beschreibt die Patientin als stimmungslabil, wenig zugänglich, nur selten beschäftigt, sie höre Stimmen, sei aber harmlos, reinlich und besorge sich selbst. Sie sei keine Alkoholikerin und weder für sich noch für andere gefährlich, nicht anstößig und ohne körperliches Leiden.
Doch Sofie Links Zustand verschlechterte sich rapide. Schon 1934 vermerkt die Patientenakte, dass sie "wie ein kleines Kind verwahrt, gefüttert und angezogen werden" müsse. Eine Besserung trat nicht mehr ein.

Am 19.6.1940 wurde Sofie Link nach Grafeneck gebracht und dort ermordet. In der fingierten Sterbeurkunde wurden zur Verschleierung der wahren Umstände der 15. Juli 1940 als Todestag und Sonnenstein als Todesort angegeben.

Quellen/Literatur:

KA RA 1Hub B1; StAF B821/2 Nr. 22826

Hier wohnte
SOFIE LINK
JG. 1884
SEIT 1930 MEHRERE HEILANSTALTEN
"VERLEGT" 19.06.1940
GRAFENECK
ERMORDET 19.06.1940
"AKTION T4"

Stolperstein Stephanienstraße 35, verlegt am 18. Oktober 2021