geb. 21.08.1886 in Karlsruhe (Durlach), gest. 16.04.1970 in Baden-Baden

Ehepartner:

Odenheimer, Ferdinand

Adressen:

Lange Straße 16 (von St. Blasien kommend, 1936-1939)
Prinz-Weimar-Straße 10 (1939-1941)
Schillerstraße 5 (1941-1945)
Karlstraße 13 (1945-1970)

Bild(er):

Karoline - auch Lina - Seiter wurde am 21. August 1886 in Durlach geboren. Sie war die Tochter von Heinrich und Karoline Seiter, geb. Huber. Nach dem Besuch der Volksschule war Lina in der elterlichen Gastwirtschaft tätig. Später arbeitete sie als Verkäuferin und als Filialleiterin unter anderem in Karlsruhe.

Am 28. Mai 1919 heiratete Lina den Kaufmann Ferdinand Odenheimer und konvertierte zum Judentum. Das Paar zog unmittelbar nach der Hochzeit nach St. Blasien in die Friedrichstraße und führte zunächst den sogenannten "Schwarzwaldbazar", auch "Kur-Bazar" genannt, später ein Lebensmittel- und Feinkostgeschäft in der Hauptstraße und ab etwa 1930 zusätzlich ein Zigarrengeschäft. Das Ehepaar beschäftigte eine ständige Hausangestellte sowie einen Mitarbeiter für ihr Geschäft.

1932 wurde Ferdinand Odenheimer von einem NSDAP-Mitglied in St. Blasien körperlich angegriffen. Die Parteizeitung "Der Führer" veröffentlichte dazu einen Artikel, der Odenheimer antisemitisch verhöhnte. Mit der sog. Machtergreifung verschlechterte sich die Situation des Ehepaars deutlich. 1935 mussten die Geschäfte aufgegeben werden, Ferdinand und Lina Odenheimer verließen St. Blasien und zogen in das als weltoffen geltende Baden-Baden.

Hier übernahm Ferdinand Odenheimer 1936 ein Zigarrengeschäft in der Lange Straße. Das Ehepaar litt bis zum Verkauf des Geschäftes 1938 zunehmend unter Anfeindungen und Boykotten. Das Schaufenster wurde laufend mit Plakaten überklebt, auf denen der Aufruf "Niemand kaufe bei einem Juden" zu lesen war. Weiter berichtet Ferdinand Odenheimer in einem Restitutionsprozess: "In einer Nacht wurde sogar das Schaufenster eingeschlagen, sodass solches ersetzt werden musste. Täter waren S. S. Leute". Außerdem wurden Posten aufgestellt, die Kunden daran hinderten, sein Geschäft zu betreten. Als Frau in einer sog. "Mischehe" wurde Lina Odenheimer von Menschen aus Baden-Baden als "Judensau", "Judenfrau" und "Dreckjüdin" beschimpft. Im Zuge der Novemberpogrome wurde Ferdinand Odenheimer an seinem 53. Geburtstag, am 11. November 1938, in das Konzentrationslager Dachau deportiert, wo er bis zum 12. Dezember 1938 inhaftiert war.

Unter dem Druck der Ereignisse trat Lina Odenheimer zum 1. Mai 1939 aus der jüdischen Religionsgemeinschaft aus. Gleichzeitig plante das Ehepaar für Herbst 1939 die Auswanderung über England nach Palästina. Im Juni kündigte man die Wohnung in der Lange Straße. Nach Ausbruch des Zweiten Weltkrieges wurde die Auswanderung kurzfristig aufgrund eines fehlenden "deutschen Sichtvermerks" nicht genehmigt und das Ehepaar stand ohne Wohnung da. Bis 1945 zogen Ferdinand und Lina mehrmals um, da sie in den jeweiligen Wohnungen nur übergangsweise bleiben konnten. Ein Antrag auf Unterbringung bei "Ariern" wurde abgelehnt.

Lina und Ferdinand Odenheimer überstanden die Schreckensherrschaft des Nationalsozialismus in Baden-Baden. Wegen ihres Alters und der Krankheit ihres Mannes, um den sie sich kümmern musste, konnte Lina keine Arbeit mehr annehmen. Lina Odenheimer starb am 16. April 1970 im städtischen Krankenhaus Baden-Baden.

Marla Hilpert und Fiona Robold, Schülerinnen des Kollegs St. Blasien. Betreuung durch die Lehrkräfte Alena Bauer und Johannes Heitmann.

Quellen/Literatur:

StABAD A23/2; StABAD A23/13; StABAD A 23/44; StABAD A23/45; StABAD A5/Meldekarte; StABAD A26/1-124; StABAD A27/2-435; StABAD A27/1-3240; StABAD, Sterberegister; StAF F196/1 Nr. 7332; StAF F196/1 Nr.10; StAF F196/1 Nr.10965; Zugangsbuch Dachau, ITS Archive, Arolsen Archives, 130429488; Veränderungsmeldungen Dachau, ITS Archive, Arolsen Archives, 9909567;
St. Blasier Kurblatt (19. Juni 1920); Badische Presse (29. November 1919), (23. März 1931); Der Führer. Das Hauptorgan der NSDAP Gau Baden (30. Sept. 1932); Badener Tagblatt (25. Sept. 1946);
Hahn, Joachim: Erinnerungen und Zeugnisse jüdischer Geschichte in Baden-Württemberg. Stuttgart 1988, S. 556.