geb. 8. Februar 1903 Bad Homburg

Kinder:

Rosenthal, Evelyne

Adressen:

Stephanienstraße 2 (von Bad Homburg kommend, 1937-1940)

Weiteres Schicksal:

22. Oktober 1940 Deportation nach Gurs

Bild(er):

Eigentlich hatte er das Sanatorium seines Vaters in Bad Homburg übernehmen wollen, aber wegen der NS Rassegesetzgebung durfte er sein Medizinstudium nicht fortsetzen. Stattdessen wurde er Küchenchef im jüdischen Hotel "Central" seines Schwiegervaters Philipp Lieblich. Der neue Beruf half ihm später, im Lager Gurs zu überleben.

Am 22. Oktober 1940 wurden Theodor Rosenthal, seine schwangere Frau Liesel und Schwiegervater Philipp Lieblich zusammen mit über hundert anderen Baden-Badener Juden verhaftet und in das französische Internierungslager Gurs in den Pyrenäen deportiert.
In seinem Tagebuch, das er seit seiner Ankunft in Gurs führte, beschrieb Theodor Rosenthal den hektischen Aufbruch dieses Tages: "(Wir) rafften förmlich an Kleidungsstücken, was wir gerade aus den Schränken herauszerren konnten und warfen sie in unsere Koffer. Die besten Kleider und Anzüge ließen wir leider zurück." Geistesgegenwärtig dachte er zumindest noch an die Babywäsche für das ungeborene Kind. Das Hotel Central war während des siebentägigen Laubhüttenfests im Oktober 1940 voll besetzt gewesen. Nun mussten auch die zumeist aus dem Rheinland stammenden 40 Gäste Hals über Kopf das Haus verlassen und in ihre Heimatorte zurückfahren. Alle anderen - unter ihnen drei Gäste, die im Land Baden ihren Wohnsitz hatten, und das jüdische Personal - wurden zur Sammelstelle in der Stadthalle gebracht. Für Theodor Rosenthal, seinen Schwiegervater und seine Ehefrau ein sehr bedrückender Anblick, das Hotel, das ihr ganzer Lebensinhalt gewesen war, so jäh verlassen zu müssen, der "Heimat, die man so lieb gewonnen, dem vertrauten Heim, dem behaglichen Familientisch plötzlich entrissen" zu werden. "Das, (was) man jahrelang in oft tage- und nächtelanger Arbeit mit so viel Mühe und Schweiß aufgebaut hatte, das sollte mit einem Mal alles zunichte gemacht werden."

Als er mit seiner Frau und seinem Schwiegervater aus dem Haus geführt wurde, beobachtete er: "Das Volk betrachtete uns mit spöttischen Blicken, aber diejenigen, die mit uns fühlten, und es sind - wie ich es sehe - nicht Wenige, gehen still umher und gaffen uns nicht an wie die anderen."

Im Lager Gurs herrschten katastrophale hygienische Zustände, die Essensrationen waren viel zu knapp bemessen. Das Lager war in 13 Bereiche, so genannte "îlots", unterteilt, die jeweils aus 25 Baracken bestanden und durch Stacheldraht voneinander abgegrenzt waren.
Theodor Rosenthal wurde gleich nach seiner Ankunft in seinem "îlot" zum "chef de cuisine" für ca. 580 Internierte ernannt und bemühte sich, aus dem Wenigen, was an Nahrungsmitteln geliefert wurde, etwas Essbares zuzubereiten. Er berichtet davon ausführlich in seinem Tagebuch: "Am Morgen ein sehr schwacher Kaffee mit etwas Zucker, mittags eine dünne Suppe und abends wieder das Gleiche mit wenigen Fleischbrocken (mehr Knochen als Fleisch). Aber woher mehr nehmen? Frankreich ist ein armes Land geworden, ist ausgepresst bis zum letzten Rest, die badischen Juden sind ihm als unerwünschte Gäste von einer rohen unmenschlichen Gewaltherrschaft aufgebürdet worden. Wie sollen wir den Winter bei solcher Verpflegung überstehen? Wie so oft im Leben unserer jüdischen Gemeinschaft greifen wir zur Selbsthilfe."

So schlug er den Insassen seiner Baracke vor, pro Woche 10 Francs zur allgemeinen Verpflegung beizusteuern. Mit diesem Zuschuss konnten er und die acht Männer, die in seiner Küche arbeiteten, zusätzliches Gemüse sowie Mais- und Bohnenmehl für gehaltvollere Suppen in den kleinen, von Internierten betriebenen Verkaufsstellen des Lagers erwerben. "Die hohe Sterblichkeit in unserem îlot hatte mit dieser neuen Kost rapide abgenommen, sodass 14 Tage später gottlob kein Todesfall mehr vorkam." Bei den Mitgefangenen genoss er hohes Ansehen. Der Künstler Harry Choyke-Berkefeld dankte ihm mit kleinen Zeichnungen für sein Tagebuch: "Mit Freude illustriere ich (...) die Hefte, die mein Leidensgefährte Rosenthal, unser allerverehrtester Küchenchef schreibt. An dieser Stelle sei ihm Dank ausgesprochen für seine immer große Bereitwilligkeit, mit den geringsten Mitteln uns ein erträgliches Essen zu verschaffen."

Trotz aller Sorgen war Theodor Rosenthal voll Vorfreude auf das Baby. Am Pessachfest im April 1941 kam Evelyn zur Welt. "Ich, Vater eines gesunden Kindes im Camp de Gurs. Nie wird dieser Augenblick meinem Gedächtnis entschwunden sein" schreibt er stolz.

Ab September 1941 wurde Theodor Rosenthal in die Ausländer-Arbeitseinheit GTE eingezogen und nach Haut Savoyen zum Straßenbau und zur Waldarbeit abkommandiert, später zur Bahn in Grigny, einem Eisenbahnknotenpunkt südlich von Lyon, versetzt. Dort entging er mehreren Razzien. Seine Frau und Kind, die er zwei Jahre lang nicht gesehen hatte und die inzwischen im Lager Noé untergebracht waren, konnte er im Juni 1943 nach Grigny nachholen.

Die Familie wanderte 1948 nach Australien aus. Dort arbeitete Theodor Rosenthal zunächst in einem Restaurant als Koch, verdiente später seinen Unterhalt mit einem Catering Service für Parties - mit dem Werbeslogan: "If you have a party big or small, call in Theo Rosenthal". Schließlich eröffnete er in einem Vorort von Sydney das Restaurant "Chez Théo".

Quellen/Literatur:

StABAD A23/45; StABAD A5/Meldekarte; StAF F 196/1 Nr. 5713
"Theodor Rosenthal: Notizen aus Gurs", https://www.swr.de/swr2/leben-und-gesellschaft/article-swr-12290.html (Zugriff: 30.10.2020)
Schindler, Angelika: Der verbrannte Traum. Jüdische Bürger und Gäste in Baden-Baden, Baden-Baden ²2013, S. 233 ff., bes. 242 ff.

Hier wohnte
THEODOR ROSENTHAL
JG. 1903
DEPORTIERT 1940 GURS
1941 ZWANGSARBEIT BEI LYON
ÜBRLEBT

Stolperstein Stephanienstraße 2, verlegt am 12.10.2010