geb. 17. Juli 1890 in Warschau

Ehepartner:

Sack, Dr. Waldemar

Adressen:

Beuttenmüllerstraße 17 (von Heidelberg kommend, 1922-1928)
Stadelhoferstraße 14 (1928-1938)
Bismarckstraße 11 (1938)
Kaiser-Wilhelm-Straße 5 (1938)
Bismarckstraße 11 (1938)
Luisenstraße 22 (1938)

Weiteres Schicksal:

Am 29. November 1938 Emigration nach Paris

Sophie Sack, die Tochter eines Warschauer Seidenbandfabrikanten, war eine sehr gebildete Frau, die mehrere Sprachen beherrschte. 1914 heiratete sie den Dermatologen Dr. Waldemar Sack, mit dem sie zwei Söhne hatte: Robert und Heinz.

Am 1. April 1933, dem sogenannten "Boykotttag" musste sie miterleben, wie SA Leute in Garten und Garage eindrangen und das Grundstück verwüsteten. Angeblich waren sie auf der Suche nach kommunistischem Propagandamaterial und Bomben. Nach dem Erlass der Nürnberger Rassegesetze 1935 erhielt ihr Mann mehrfach Erpresserbriefe wegen angeblich in seiner Praxis begangener Rassenschande. Als Waldemar Sack im April 1938 seinen Sohn in Paris besuchte und länger als die vier genehmigten Wochen blieb, wurde Sophie Sack vor die Gestapo zitiert. Man drohte ihr, dass ihr Mann - falls er zurückkehre - sofort in ein KZ eingewiesen werden würde.

Sophie Sack betrieb nach der Flucht ihres Mannes ihre eigene Ausreise. Ende 1938 beantragte sie beim Passbüro einen Reisepass:

"Ich ersuche hiermit um Ausreisebewilligung nach Polen und gleichzeitig um Verlängerung meines Passes, der Ende August ausläuft, sodass sich das polnische Konsulat in München weigert, mir aus diesem Grunde ein Visum nach Polen auszustellen. Ich bin am 17. Juli 1890 in Warschau geboren. Mein Vater, Benjamin Rittenberg, Fabrikbesitzer, stammt aus einem kleinen Ort an der polnischen, ehemals russisch-deutschen Grenze. Meine Mutter Anna, geb. Rabinwicz, stammt aus Kurland aus einer alten Gelehrten- und Geistlichenfamilie. Ihre Muttersprache war deutsch. Beide Eltern sind schon lange tot. Ich bin in Polen und dann in der Schweiz aufs Gymnasium gegangen, habe dort 1908 als einer der Besten das Abiturientenexamen bestanden. Später studierte ich in Heidelberg, Berlin und Cambridge Nationalökonomie, habe vor dem Krieg in Londons berüchtigten Armenvierteln soziale Fürsorge getrieben. Am 3. August heiratete ich den damaligen Studenten der Medizin Waldemar Sack, der sich am gleichen Tage als Kriegsfreiwilliger meldete und nach einer sehr kurzen Ausbildung in der Mannheimer Kaserne ins Feld rückte. Den ganzen Krieg über war er dann draußen an der französischen Front in der vordersten Linie. 1915 kam unser Sohn Heinz zur Welt, 1920 Robert.
Ich habe im Krieg weiter soziale Fürsorge getrieben. Zuerst Säuglingspflege, später Jugendfürsorge. Mein Mann war nach dem Krieg Assistent an verschiedenen Kliniken in Heidelberg und Frankfurt. 1921 ließ er sich dann in Baden-Baden als Spezialarzt nieder. Ich selbst war hier wiederholt unentgeltlich als vereidigte Dolmetscherin für polnisch tätig, hatte mich 1931-32 dem Arbeitsamt zwecks Beschäftigung (Bildung) der Arbeitslosen zur Verfügung gestellt, führte auch einen unentgeltlichen französischen Kurs für Hotelangestellte durch.
Seit 1928 bin ich nach einer schweren akuten Gelenkerkrankung schwer behindert im Gehen, bin wiederholt am Knie operiert worden und kann nie mehr ganz gesundwerden.
Da mein Mann aus Ihnen bekannten Gründen nicht mehr hier ist und noch auf der Suche nach einem neuen Beruf ist, kann er mich in Paris nicht ernähren. Auch hier in Baden habe ich keine Existenzmöglichkeiten mehr. Darum muss ich nach Polen, wo mich Verwandte aufnehmen wollen, nachdem die polnische Devisenstelle es ihnen abgelehnt hatte, mir hierher Zuschüsse zu überweisen. Ich glaube nicht, dass mein Mann vor Anfang 1939 so weit ist, dass er mich ernähren kann. Darum bitte ich höflichst um Genehmigung eines neunmonatlichen Aufenthaltes in Polen, um Verlängerung meines Passes und um die Erlaubnis, nach Ablauf dieser Frist den deutschen Boden wieder betreten zu dürfen, wenigstens zur Durchreise nach Frankreich, da ich sonst einen ungeheuren Umweg über fremde Staaten machen müsste,
Mit bestem Dank im Voraus
Frau Sophie Sack, geb. Rittenberg."

Erst im November 1938 sollte Sophie Sack ihren Mann in Paris wiedersehen. Das Ehepaar fristete nun ein bescheidenes Dasein in der französischen Hauptstadt, lebte von Gelegenheitsjobs. Bei Kriegsausbruch wurde Waldemar Sack als Deutscher interniert. Kurz bevor die deutschen Truppen in Frankreich einrückten, floh er aus dem Lager und kehrte zu seiner Frau nach Paris zurück. Im Juni 1942 gelang es dem Ehepaar, in das unbesetzte Frankreich zu entkommen. Dort wurde Waldemar Sack jedoch wenige Tage später im Lager Douadic interniert, in dem er sich ein schweres Darmleiden zuzog. Im April 1943 floh er vor der bevorstehenden Deportation nach Deutschland an die spanische Grenze. Er fand Aufnahme im Centre d'accueil du Bégué des Abbé A. Glasberg, wo er, wie die anderen Flüchtlinge, unter falscher Identität untertauchte. Um deren Sicherheit zu gewährleisten und aufgrund mangelnder Transportmöglichkeiten zum nächsten Krankenhaus, konnte Waldemar Sack nicht rechtzeitig operiert werden und starb ein Jahr nach der Flucht aus Paris.

Sophie Sack überlebte den Krieg in verschiedenen Verstecken im unbesetzten Frankreich

Quellen/Literatur:

STABAD A23/39; StABAD A5/Meldekarte; StAF F 196/1 Nr. 6731
Schindler, Angelika: Der verbrannte Traum. Jüdische Bürger und Gäste in Baden-Baden, Baden-Baden ²2013, S. 297 Anm. 12.
Siehe SWR-Feature zur Familie Sack, u.a. mit Angaben zu den Söhnen Sack: https://www.swr.de/swr2/leben-und-gesellschaft/article-swr-10846.html (Zugriff: 15.05.2020)

Hier wohnte
SOPHIE SACK GEB. RITTENBERG
JG. 1890
FLUCHT NOV. 1938 FRANKREICH
ÜBRLEBT


Stolperstein Stadelhoferstraße 14, verlegt am 27.01.2009