geb. 25.10.1886 in Bühl, gest. 11.03.1943 in Auschwitz

Eltern:

Wolf, Clara, geb. Cahn (15. Mai 1856 - 14. Juli 1937)
Wolf, Wilhelm (29. April 1852 - 10. April 1934)

Kinder:

Wolf, Werner Heinz
Wolf, Erich Alfred

Weitere Angehörige:

Geschwister:
Wolf, Fritz
Wolf, Sofie

Beruf:

Immobilienmakler

Adressen:

Lange Straße 59 (von Bühl kommend, 1901-1920)
Quettigstraße 5 (1920-1929)
Vincentistraße 6 (1929-1938)
Lange Straße 16 (1938-1940, nach Gurs)

Weiteres Schicksal:

22. Oktober 1940 Deportation nach Gurs; am 11. März 1943 in Auschwitz ermordet

Bild(er):

Wer in Baden-Baden ein neues Zuhause suchte, ging in die Lange Straße 59. Dort betrieb Oskar Wolf zusammen mit seinem Vater Wilhelm Wolf ein gut gehendes Immobilienbüro, das später an den Leopoldsplatz umzog - bis am 29. August 1938 in einer neuen Verordnung Juden die Immobilienvermittlung verboten wurde. Seit diesem Zeitpunkt bemühte sich Oskar Wolf unermüdlich nach einem Auswanderungsland. Er stellte sofort beim amerikanischen Konsulat in Stuttgart einen entsprechenden Antrag, aber die Suche nach einem Bürgen gestaltete sich schwierig. Nach dem Novemberpogrom wurde er mit über 50 anderen jüdischen Männern nach Dachau deportiert und kehrte erst am 8. Dezember 1938 zurück. Einen Tag später saß er wieder an seinem Schreibtisch, um die Emigration zu forcieren. Sein Maklerbüro musste zum 31. Dezember 1938 geschlossen werden. Die Familie lebte vom Ersparten.

Oskar Wolf suchte verzweifelt nach alternativen Lösungen, um ein Visum zu erhalten: Warum nicht einen neuen Artikel auf den englischen Markt bringen und dafür einen Betrieb mit sieben bis acht Mitarbeitern in England aufbauen? Dafür hatte er viele Ideen: Zündkerzen mit besonders intensiver Explosionswirkung oder Flaschenabfüllmaschinen; ein Hausmittel, "eine Weiterbildung des OLBAS mit gesteigerter Wirkung", oder einen "Orientierungs-Automaten" für Reisende, den er in Zürich auf dem Bahnhof gesehen hatte.

Der 18-jährige Sohn Werner, der im April 1939 nach England ausreisen konnte, sollte vor Ort prüfen, unter welchen Bedingungen all dies möglich war und zu diesem Zweck jede Menge Kontakte in England knüpfen. Oskar Wolfs Kalkül: Er hoffte, schneller eine Einreisegenehmigung zu erhalten, wenn er einen Betrieb errichtete und englische Arbeitskräfte beschäftigte.
Zumindest gelang es ihm, für den jüngeren Sohn Erich einen Platz in einem der letzten Kindertransporte im August 1939 zu bekommen.

Auch nach Kriegsausbruch bemühte er sich weiter um ein Auswanderungsland, aber die Chancen, Deutschland verlassen zu können, nahmen immer mehr ab, erst recht nach dem Einmarsch der Deutschen in Frankreich. An die Söhne in Manchester schrieb er am 12. Mai 1940 "Die Ausreisemöglichkeit ist mit einem Schlage wieder geringer … Unsere Existenzmittel reichen nicht für eine längere Wartezeit. Wir bemühen uns, ruhige Nerven zu behalten und den Mut nicht sinken zu lassen."

Doch den Wolfs sollte es nicht mehr gelingen, rechtzeitig aus Deutschland herauszukommen: Am 22. Oktober 1940 standen um 9.15 Uhr zwei Kriminalbeamte und ein bewaffneter Soldat vor der Tür, um ihnen mitzuteilen, dass sie deportiert würden. Zwei Handkoffer und zwei Rucksäcke waren alles, was sie mitnehmen konnten - darin ein "Heiligtum": so bezeichnete Oskar die Briefe, die er von seinen Söhnen aus England bekommen hatte, und von denen er sich nie trennen wollte.

Diesen Tag beschrieb er minutiös in einem Tagebuch, das er nach der Ankunft in dem Internierungslager Gurs am Rand der Pyrenäen 2 ½ Monate lang führte. "So verließen wir unsere Heimat am Nachmittag des 23. Oktober 1940, 16.20 Uhr, um sie nach menschlicher Voraussicht nie wieder zu betreten. Die Stadt Baden-Baden, in der wir rund 40 Jahre ein unbescholtenes gerades, pflichterfülltes Leben geführt haben; das Land, in welchem meine Vorfahren bis etwa 200 Jahre zurück zu verfolgen sind und stets als aufrechte deutsche Bürger gelebt haben. Und nun sind wir im wahrsten Sinne des Wortes heimatlos."
An seinem 54. Geburtstag, dem 25. Oktober 1940, kamen die Baden-Badener Juden abends gegen 20 Uhr im "Camp de Gurs" an.

Nach 13 Monaten gelang es den Wolfs, wieder "jenseits des Drahtes" zu stehen. Ehemalige Geschäftspartner aus Schweden überwiesen die für eine Sondergenehmigung notwendigen finanziellen Mittel nach Frankreich. Ab 20. November 1941 wurde ein dreimonatiger Krankheitsurlaub bewilligt, der mehrfach verlängert wurde, und die Eheleute kamen in einem Hotel in Lourdes unter; ab 30. April 1942 lebten sie in dem kleinen Kurort Cauterets nahe der spanischen Grenze, den sie nur mit besonderer Genehmigung verlassen durften; im Sommer 1942 fanden sie Zuflucht in dem kleinen Ort Chambonnet Linard in der Nähe von Limoges, wo sie in einem kleinen Haus ohne Elektrizität und fließend Wasser unterkamen.

Immer wieder entgingen sie Deportationen und Razzien, doch am 24. Februar 1943 morgens um 8.00 Uhr hämmerten Männer heftig gegen die Fensterläden. In einem Brief an die Söhne am 2. Dezember 1944 schildert Elsa Wolf: "Wir gaben keinen Mucks von uns, uns blieb der Atem weg, bis es so toll wurde, dass wir öffnen mussten. Vater war wie gelähmt, so verstört sah ich ihn noch nie. Er sagte "Nun ist alles zu Ende" (…) Vater konnte sich kaum ankleiden, kaum das Nötigste in den Koffer packen und musste nüchtern, ohne Lebensmittel weg."

Ein französischer Arzt versuchte noch, Oskar Wolf zu retten, indem er ein Attest an den Sammelort in Linard bringen ließ - ein Attest, das ihn bei der Pflege der kranken Elsa für unabkömmlich erklärte. Aber es half nichts, die "Gestapo war schneller, die Männer schon auf dem Weg nach Gurs". Noch unterwegs kontaktierte Oskar Wolf einen Anwalt in Lourdes, der wiederum Elsa über alles informierte, aber auch nicht helfen konnte. Wenig später wurde Oskar Wolf von Gurs nach Drancy gebracht, "von wo aus er am 2.3.1943 nach unbekanntem Ziel deportiert wurde, wie seine letzten Kartengrüße sagten" Seinen Koffer mit Wäsche schickte er noch zurück. Oskar Wolfs "Gurs Tagebuch" sollte das einzige sein, das ihr von ihrem Mann blieb.

Quellen/Literatur:

StABAD A23/45; StABAD A5/Meldekarte; StABAD A4/235; StAF F 196/1 Nr. 3731; StAF F 196/1 Nr. 3730; StAF P 303/4 Nr. 331; HStAS 99/001; Gedenkbuch Bundesarchiv
Schindler, Angelika: Der verbrannte Traum. Jüdische Bürger und Gäste in Baden-Baden, Baden-Baden ²2013, S. 90 f., 218 ff., 237 ff.; Recherchen einer Gruppe von Lehrern aus Nantes, 2020/21

Hier wohnte
OSKAR WOLF
JG. 1886
DEPORTIERT 1940 GURS, NEXON, DRANCY, AUSCHWITZ
ERMORDET 1943



Stolperstein Lange Straße 16, verlegt am 28.11.2011