13. Juni 1884 in Bruchsal, gest. 1961 in Bradford (West Yorkshire)
Flehinger, Gerhard
Flehinger, Walter
Lehrer
Ludwig-Wilhelm-Platz 11 (von Mannheim kommend, 1927-1936)
Prinz-Weimar-Straße 10 (1936, nach London)
Im Juni 1939 Emigration nach England
Arthur Flehinger wurde am 13. Juni 1884 in Bruchsal als Sohn des Hauptlehrers Max Flehinger (geb. 1851 in Flehingen) geboren. Seinen schulischen und beruflichen Werdegang schilderte er in einem Lebenslauf, den er im Dezember 1938 anlässlich seiner geplanten Emigration beim Baden-Badener Passbüro einreichte:
"Nach Besuch der Volksschule und des Gymnasiums meiner Heimatstadt begab ich mich 1902 an die Universität Breslau und 1904 bis 1907 studierte ich in Freiburg neue Sprachen. 1908 legte ich mein Staatsexamen ab, war bis 1913 Lehramtspraktikant in Baden-Baden und kam als Professor an das Gymnasium Mannheim. Im Krieg war ich zuerst als Dolmetscher im Gefangenenlager Rastatt tätig, dann als Dolmetscher für Rumänisch am Gefangenenlager [?] und von Januar 1918 bis Beendigung des Krieges war ich dem Chef des Nachrichtenwesens im Großen Hauptquartier (Dechiffrierabteilung) zugeteilt. Ich war dann bis 1927 am Gymnasium Mannheim [...] tätig."
In diesem Jahr übersiedelte Flehinger, mittlerweile verheiratet und Vater zweier Söhne, nach Baden-Baden, dem Geburtsort seiner Frau Anna. Deren Eltern Robert und Clara Lipsky betrieben in der Kurstadt ein Warenhaus.
In Baden-Baden unterrichtete Arthur Flehinger Englisch und Fanzösisch am Gymnasium Hohenbaden, wo auch seine Söhne Gerhard und Walter zur Schule gingen. Zum 3. Oktober 1935 wurde er in den ungewollten Ruhestand versetzt, was ihn, mit Leib und Seele Lehrer, zutiefst verletzte. Vor dem Hintergrund der immer massiveren Bedrohungen hatten sich die Eltern bereits im selben Sommer entschlossen, zuerst Gerhard und dann den jüngeren Bruder in ein englisches Internat zu schicken. Die Eltern selbst konnten sich noch nicht zur Flucht aus Nazideutschland entschließen. Der Novemberpogrom am 10. November 1938 bestätigte jedoch ihre schlimmsten Befürchtungen. Zusammen mit anderen jüdischen Männern wurde Arthur Flehinger verhaftet und in einem entwürdigenden Zug durch die von Schaulustigen gesäumten Straßen der Stadt zur Synagoge geführt, wo er der Zerstörung des Gotteshauses zusehen musste.
Die Enkeltochter Diana Gottardo berichtet anlässlich der Stolpersteinverlegung 2016 aus den Erzählungen ihres Großvaters: "At 7am on the 10th November 1938, the police and S.S appeared at this house and arrested Artur Flehinger for being Jewish. He and the other Jewish men of Baden-Baden were ordered to march through the streets, past jeering crowds to the synagogue. There, our grandfather was forced to read from 'Mein Kampf' while standing on the podium. The SS decided he had read too quietly and, after having beaten him, then insisted he read the passage again this time more loudly. The Jewish men were forced to sing the Nazi anthem until they had permission to stop. After hours of abuse, the Jewish men of Baden-Baden were loaded onto trucks and transported to Dachau while the mob set fire to the synagogue." (zu Flehingers ausführlichen Schilderungen des Novemberpogroms in Baden-Baden vgl. Angelika Schindler, Der verbrannte Traum, S. 158 ff.)
Noch im Konzentrationslager Dachau bemühte er sich über seine Frau jetzt intensiv um die Auswanderung nach England. Diese gelang im Juni 1939 nach Entrichtung der Judenvermögensabgabe (zusammen 16.200 RM) und durch Sicherung der Reichsfluchtsteuer mittels eines Wertpapierdepots bei der Deutschen Bank. Im August 1942 wurde das Restguthaben dieses Wertpapierdepots dem Finanzamt Baden-Baden übertragen. Obwohl die Familie die Kosten des Umzugs im Voraus beglichen hatte, wurde ein Gut in Hamburg mit Beschlag belegt und später der "öffentlichen Verwertung" zugeführt, darunter Ölbilder, Aquarelle, Kupferstiche von Georg Friedrich Schmidt (18. Jh.), antike Möbel, Schmuck, ein Bechstein-Klavier und ein Cello.
Nach seiner Emigration arbeitet Arthur Flehinger noch 15 Jahre lang in einem Gymnasium in Bradford im Norden Englands. Er starb 1961. Seine Frau kam kurz nach der Auswanderung bei einem Autounfall ums Leben.
StABAD A23/45; StABAD A5/Meldekarte; StABAD A23/28; StAF F 196/1 Nr. 6219; StAF F 196/1 Nr. 2970; StAF F 196/1 Nr. 2970; StAF P 303/4 Nr. 2572
Schindler, Angelika: Der verbrannte Traum. Jüdische Bürger und Gäste in Baden-Baden, Baden-Baden ²2013, S. 158 ff., 176 ff.
Hier wohnte
DR. ARTHUR FLEHINGER
JG. 1884
ZWANGSWEISE IN DEN RUHESTAND VERSETZT 31.12.1935
FLUCHT 1939 ENGLAND
Stolperstein Prinz-Weimar-Straße 10, verlegt am 25.10.2016