geb. 08.03.1889 in Aub, gest. 23.12.2000 in St. Petersburg (Florida)

Kinder:

Grünfeld, Miri Sofie
Grünfeld, Walter Wolfgang

Beruf:

Religionslehrer und Kantor

Adressen:

Scheibenstraße 14 (von Esslingen kommend, 1910-1911)
Vincentistraße 30 (1911-1913)
Gartenstraße 1 (1913-1916)
Sponheimstraße 2 (1916-1918)
Sponheimstraße 1 (1918-1919)
Geroldsauer Straße 57 (1920)
Gernsbacher Straße 59 (1920-1922)
Luisenstraße 16 (1922-1926)
Vincentistraße 30 (1926-1939)

Weiteres Schicksal:

Im März 1939 Emigration nach Frankreich, später London und New York

Bild(er):

Max Grünfeld wurde am 8. März 1889 in Aub geboren, einem Ort in Unterfranken in der Nähe von Würzburg. Nach seiner Ausbildung am Lehrerseminar Esslingen begann er 1910 in Baden-Baden seine berufliche Laufbahn als Religionslehrer im Staatsdienst am Gymnasium Hohenbaden und als Lehrer der jüdischen Gemeinde. Daneben war er als Kantor der Synagoge tätig, die 1899 eingeweiht worden war. Unterstützung bekam er von Synagogendiener Louis Weil und von Schochet (Schächter) und "Aushilfskantor" Isidor Wolff. Während des Ersten Weltkriegs war er zudem Lazarettseelsorger in Baden-Baden.

1930 stellte er einen Antrag auf Errichtung einer Stelle für einen israelitischen Religionslehrer an der Volksschule in Baden-Baden. Er begründete dies mit dem dreijährigen Durchschnitt von 20 israelitischen Schülern und Schülerinnen pro Jahrgangsstufe, was nach den gesetzlichen Bestimmungen und der bisher geübten Praxis des Ministeriums ausreiche, um einer Minderheit von mindestens 15 Schülern einen Lehrer ihrer Konfession zuzuweisen. Da in Baden-Baden keine freie Planstelle vorhanden war und auch der Stadtrat die Finanzierung einer übergesetzlichen Stelle verweigerte, konnte die Angelegenheit nicht zum Abschluss gebracht werden.

Seit 16. Mai 1922 war Max Grünfeld mit Elfriede Meth (geb. 13. Dezember 1901 in Ravensburg) verheiratet. Aus der Ehe gingen die Tochter Miriam, geboren am 21. Februar 1925 in Baden-Baden, und Sohn Walter Wolfgang, geboren am 17. Juli 1928 ebenda, hervor.

Max Grünfeld war ein sehr engagierter Kantor. Immer wieder ist über ihn in der jüdischen Presse zu lesen. Als die jüdische Gemeinde ihre Mitglieder am 15. Dezember 1928 zu einer Chanukka-Feier in das Hotel Tannhäuser am Sonnenplatz 1 einlud, lobte die Zeitschrift "Der Israelit":
"Nach einem Harmoniumvorspiel kennzeichnete Kantor Grünfeld die Bedeutung des Chanukka-Festes. Im Mittelpunkt des Programms stand ein Chanukka-Festspiel 'Großmütterchens Traum' von Eddy Goldschmidt, das die Schülerinnen und Schüler der oberen Klassen zur Aufführung brachten. Der große Beifall nach dem Spiel konnte seinem Regisseur, dem Herrn Kantor Grünfeld, der beste Lohn sein für seine wochenlange, rastlose und eifrige Vorarbeit hierzu."

Noch im Schuljahr 1932/33 erhielten 35 jüdische Gymnasiasten Religionsunterricht durch Lehrer Max Grünfeld. Doch im April 1933 wurde er aus dem Staatsdienst entlassen, denn für jüdische Beamte galt ab dem 7. April 1933 der "Arierparagraph", dem zufolge sie in den Ruhestand zu versetzen waren.
Mühsam hielt sich Max Grünfeld in den folgenden Jahren als privater Religionslehrer über Wasser. Im April 1938 stellte er einen Antrag auf Ausstellung eines Reisepasses, da er im Rahmen der jüdischen Stammbaumforschung Einsicht in Standesregister auch des nahen Auslandes nehmen bzw. mit jüdischen Hilfsorganisationen bezüglich der Auswanderung zusammenarbeiten müsse. Dieser Antrag wurde ohne Begründung abgelehnt. Im Oktober desselben Jahres schrieb er an den Polizeidirektor:
"Es ist mir am 14. des Monats ein Bescheid zugegangen, wonach die Verlängerung der Gültigkeitsdauer des Reisepasses für mich und meine Ehefrau versagt wird. Gerade im gegenwärtigen Augenblick trifft mich dies besonders hart, weil ich von meinen Glaubensgenossen allseits um Hilfe angegangen werde. Es dürfte doch keinem Zweifel unterliegen, dass sich diese Leute in einer furchtbaren Notlage befinden. Zur Auswanderung müssen Geldmittel, Papiere und sonstige Unterlagen beschafft werden. Vielfach ist zu diesem Zweck eine Aussprache mit Glaubensgenossen und mit Stellen im Ausland erforderlich. Da die Leute in ihrer Reisefreiheit beschränkt sind, muss der Seelsorger überall vermitteln. Durch die Aufregungen sind viele Krankheits- und Todesfälle von früheren Gemeindemitgliedern zu verzeichnen, die sich zum Teil jetzt im Ausland, namentlich in der Schweiz und im Elsass aufhalten und den Besuch ihres langjährigen Geistlichen wünschen. Meine Frau hat mich bei diesen Reisen manchmal begleitet. Ich habe durch ihre Zusprache und ihren Trost manches erreichen können, was mir allein nicht möglich gewesen wäre.
Wir waren vor einigen Jahren selbst in Palästina und können deshalb für die Auswanderer über dortige Verhältnisse genauen Aufschluss geben.
Es ist mir auffallend, dass gerade hier in Baden-Baden dem Seelsorger der Juden größere Schwierigkeiten bereitet werden, als anderwärts. Ich bitte den Herrn Minister des Innern, mich in meinem Amt als Seelsorger und in der jetzigen schweren Zeit [rot am Rande Ausrufezeichen und jetzige schwere Zeit rot unterstrichen] mir und meiner Frau bis zur Abwicklung der Auswanderungen und ihrer Begleiterscheinungen einen Auslandspass genehmigen zu wollen. Ich bin gerne bereit, vor jeder Auslandsreise eine Anzeige über Zweck und Ziel der Polizeidirektion zu machen und betone erneut, dass ich bald drei Jahrzehnte im badischen Gemeinde- und Staatsdienst amtiere.
Kantor Grünfeld."

Am 10. November 1938 wurde Max Grünfeld mit 52 anderen Baden-Badener Juden in das KZ Dachau verschleppt. Dort wurde er von einem Blockführer durch Prügelschläge schwer misshandelt, was u. a. eine Schädigung des Trigeminusnervs und der Kopfschwartennarben führte und eine 30% Erwerbsminderung zur Folge hatte. Erst am 20. Dezember 1938 kam er frei.

Nach diesen traumatischen Erfahrungen tat er alles, um seine Familie zu retten. Es gelang ihm, seine 14-jährige Tochter Miriam und den drei Jahre jüngeren Bruder Walter im März 1939 mit einem Kindertransport nach England zu schicken. Er selbst hoffte auf eine Anstellung in Dallas und verließ ebenfalls im März 1939 mit seiner Frau Baden-Baden. In Frankreich war für das Ehepaar Strasbourg die erste Station. Später wurde Max Grünfeld verhaftet und kam in Lager bei Nancy und Nantes. 1941 flüchtete er aus einem weiteren Lager in Montreux zu seiner Frau in Limoges, wo er teilweise versteckt von Ende 1941 bis September 1942 lebte.
Im Oktober 1942 flohen beide gemeinsam in die Schweiz, wo sie ihre Bemühungen, in die USA zu kommen, fortsetzten. Aber erst im Dezember 1945 gelang ihnen die Ausreise nach England und zwei Jahre später, im Oktober 1947, konnten sie in die USA auswandern. In New York arbeitete Max Grünfeld als Kantor. Seine Frau mussste wegen seines bescheidenen Einkommens mitverdienen. Schließlich wurde er Reverend in einer jüdischen Gemeinde in der Bronx. 1973 starb er in St. Petersburg, Florida.

Die Tochter Miriam und ihr Bruder Walter Wolfgang lebten sieben Jahre von den Eltern getrennt in England. Miriam heiratete später nach Kanada. Walter studierte Journalismus und wurde Inhaber eines Verlages und einer Druckerei in Marathon N.Y. Er starb in den USA am 23. Dezember 2000.

Quellen/Literatur:

StABAD A5/Meldekarte; StABAD A23/33; StABAD A23/41; StAF F 196/1 Nr. 3870; StAF P 303/4 Nr. 355; StAF L 50/2 Nr. 11382; HStAS 99/001

Hier wohnte
MAX GRÜNFELD
JG. 1889
FLUCHT 1939 FRANKREICH
VERHAFTET 1941, VERSCHIEDENE LAGER,
GEFLOHEN / VERSTECKT GELEBT
FLUCHT 1942 SCHWEIZ

Stolperstein Vincentistraße 30, verlegt am 04.03.2020