geb. 10.07.1928, gest. 02.07.1996 in Haarlem (Niederlande)

Ehepartner:

Durlacher, Aneke, geb. Sasburg (Eheschließung 1959)

Kinder:

Durlacher, Jessica (geb. 1961)

Weitere Angehörige:

Großeltern:
Durlacher, Leopold
Durlacher, Sophie, geb. Hammel

Adressen:

Lichtentaler Straße 21 (1928-1932)
Beethovenstraße 2 (1932-1933)
Bäderstraße 2 (1933)
Lichtentaler Straße 56 (1933-1937)

Weiteres Schicksal:

Am 21. Juni 1937 Emigration nach Rotterdam, 1942 verhaftet, 1944 Deportation nach Auschwitz

Bild(er):

Was bedeutet eine vom Nationalsozialismus überschattete Kindheit? Kann man ein neues Leben nach einer Jugend im KZ beginnen?
1933 ist Gerhard Durlacher sechs Jahre alt. In seinem Buch "Ertrinken. Eine Kindheit im Dritten Reich" erzählt er aus der Perspektive des kleinen Jungen, der so gerne zu Hause auch einen Weihnachtsbaum gehabt hätte wie alle anderen, der keine Spielkameraden hatte. Immer wieder musste er Abschied nehmen - von seinem christlichen Kindermädchen, bei dem er sich geborgen und aufgehoben fühlte, oder von seiner Hündin Senta, die wegen der bevorstehenden Auswanderung eingeschläfert werden musste.

Es ist nicht nur eine gestohlene Kindheit, sondern eine zerstörte Kindheit voll traumatischer Erfahrungen: "Nirgends war es warm und sicher", Freunde lassen ihn im Stich, die Nerven der Eltern liegen ständig blank. Als jüdisches Kind wird er schon am ersten Schultag von der Klassengemeinschaft abgesondert, der tägliche Schulweg durch die Stephanienstraße zur Vincentischule wird immer mehr zum Angstweg. 1937 flüchtet die Familie nach Holland.

In Rotterdam und Apeldoorn kann Gerhard Durlacher ein kleines Stück Kindheit nachholen - ein fröhliches Foto aus dieser Zeit lässt das kurze Aufatmen spüren. Aber seine Jugendjahre verbringt er im KZ: 1942 werden die Durlachers in das holländische Sammellager Westerbork deportiert und weiter nach Theresienstadt verschleppt, von dort aus in die Vernichtungslager im Osten. Nur Sohn Gerhard, als 16-Jähriger 1944 nach Auschwitz-Birkenau deportiert, überlebt das Todeslager. Er kehrt nach Holland zurück und holt mit eiserner Disziplin den Unterrichtsstoff all der verpassten Schuljahre nach, um ein Studium aufnehmen zu können. Von 1964 bis 1983 lehrt er als Dozent der Soziologie an der Universität Amsterdam.

Die traumatischen Erfahrungen im KZ verbannte er aus seiner Erinnerung: "Ein Vorhang hatte sich vor mein Wahrnehmungsvermögen gesenkt. Ich registrierte das grauenhafte Geschehen, ohne es zu Kopf und Herz durchzulassen. Jetzt, nach fast vierzig Jahren, fällt dann und wann ein Archivblatt aus dem Panzerschrank meines versunkenen Gedächtnisses." So dauerte es mehrere Jahrzehnte, bis Gerhard Durlacher seine - inzwischen mehrfach preisgekrönten - autobiografischen Schriften verfasste. Auch seine Tochter, die Schriftstellerin Jessica Durlacher, beschäftigt sich in ihren Romanen mit der Frage, wie man ein neues Leben nach einer Jugend in Auschwitz beginnen kann und welche Auswirkungen der Holocaust für die nachfolgende Generation hat.

Weiterführende Links:
https://de.wikipedia.org/wiki/Gerhard_Durlacher

Quellen/Literatur:

StABAD A5/Meldekarte; StABAD A24/695
Durlacher, Gerhard: Ertrinken. Eine Kindheit im Dritten Reich, Hamburg 1993.; HStAS 99/001
https://de.wikipedia.org/wiki/Gerhard_Durlacher

Hier wohnte
GERHARD DURLACHER
JG. 1928
FLUCHT 1937 HOLLAND
DEPORTIERT 1942 AUSCHWITZ GROSS-ROSEN
ÜBERLEBT

Stolperstein Lichtentaler Straße 56, verlegt am 04.11.2008