geb. 10. Mai 1928 in Würzburg

Weitere Angehörige:

Geschwister:
Kirschner, Ingeborg
Kirschner, Margot

Adressen:

Markgrafenstraße 24 (von Würzburg kommend, 1937)
Kronprinzenstraße 4 (1937-1940)

Weiteres Schicksal:

Am 22. Oktober 1940 Deportation nach Gurs

Bild(er):

22. Oktober 1940: Manfred Kirschner, 12 Jahre alt, ist der Jüngste der 116 Baden-Badener auf der Transportliste nach Gurs.

Zwei Jahre später wird er in letzter Sekunde gerettet: Eine Mitarbeiterin der jüdischen Hilfsorganisation OSE überredet den Vater, ihr den Sohn anzuvertrauen. Mit der Hilfe von mutigen Menschen, Franzosen und Amerikanern, kann Manfred Kirschner fliehen und bekommt eine neue Identität. Er heißt jetzt Jean Jaquet, wird in verschiedene Waisenheime gebracht. "Während Monaten und Monaten konnte man mir nicht ein Lächeln entreißen. Ich war eine lebende Wachsfigur ohne Gefühl", schreibt er nach dem Krieg seiner Tante. Im Waisenheim lernt er seine spätere Frau Ruth kennen. "1948 wanderten wir aus. Unsere beiden Familien waren in Auschwitz umgekommen."

Der Start in den USA ist nicht einfach. "Er hat als Hilfsarbeiter recht und schlecht sein Dasein bestritten", schreibt seine Tante Ida Seiler 1981 an die Stadt Baden-Baden. Dann findet er eine Anstellung bei einer Autofirma, bei der er Jahre später zum Manager des Ersatzteilressorts aufsteigt. Zunächst aber führt ein Arbeitsunfall 1978 dazu, dass er nur noch bedingt arbeitsfähig ist. In dieser Situation tritt die Tante mit der Bitte an den Oberbürgermeister heran, eine Reise in die alte Heimat zu unterstützen, laden doch viele deutsche Städte seit Beginn der 80er Jahre als Geste der Versöhnung ihre ehemaligen jüdischen Bürger in ihre einstige Vaterstadt ein. "Es wäre nach so viel Bitterkeit für die jungen, leidgeprüften Menschen ein seelisches Trostpflaster." Nach einem ersten mitfühlenden Antwortschreiben erhält sie einen zweiten Brief des Ersten Bürgermeisters mit der Mitteilung, dass die Stadt Baden-Baden ausnahmsweise einen Zuschuss von 50.- DM gewähren könne. Weiter heißt es darin: "Während seines Aufenthalts in Baden-Baden müsste sich Herr Kirschner an das Städtische Sozialamt wenden, um seinen Zuschuss abzuholen."

Auch im Wiedergutmachungsverfahren muss er Demütigendes und zutiefst Verletzendes erleben, wenn etwa der Anwalt des neuen Hauseigentümers 1948 argumentiert: Sein Vater sei ja nach dem Verkauf 1939 "völlig unbehelligt" geblieben, "bevor er nach Südfrankreich kam, was ja bekanntlich für eine privilegierte Situation spricht."

Manfred Kirschners Antwort: "We do not hate, it would only hurt ourselves. Das Verbrechen war so groß, dass nur Gott darüber urteilen kann."

1992 war er dabei, als Baden-Baden erstmals seine ehemaligen jüdischen Bürger einlud.

Quellen/Literatur:

StABAD A23/45; StABAD A5/Meldekarte; StABAD A23/37; StABAD A24/705; StABAD A28-3/209; StAF F 196/1 Nr. 5706; StAF F 165/1 Nr. 82; Briefe von Manfred Kirschner an Angelika Schindler
https://www.stolpersteine-wuerzburg.de/wer_opfer_lang.php?quelle=wer_opfer.php&opferid=574&filter=K (Zugriff: 03.11.2020)
Schindler, Angelika: Der verbrannte Traum. Jüdische Bürger und Gäste in Baden-Baden, Baden-Baden ²2013, S. 234 f.; 256 ff.