geb. 7. Dezember 1898 in Saalfeld, gest. 1961 USA

Kinder:

Schwarz, Beate; Schwarz, Evelyne;

Adressen:

Heimstraße 1 (von Koblenz kommend, 1938-1939, nach Luxemburg)

Weiteres Schicksal:

Am 25. Januar 1939 Emigration nach Luxemburg, 1941 dann in die USA.

Bild(er):

Familie Schwarz

Ihre Eltern sprachen nie über die schrecklichsten Jahre ihres Lebens - über Verfolgung in der NS-Diktatur und Flucht. Sie wollten ihre Kinder schützen: Beate, die noch in Deutschland geboren wurde, und Evelyne, die elf Jahre später in den USA, 1944, zur Welt kam. Heute bedauert sie es, dass sie ihre Eltern Ernst und Ilse Schwarz nie nach der Vergangenheit befragte. Als Teenager hatte sie andere Dinge im Kopf, kurz vor ihrem 17. Geburtstag starb der Vater. Sie hatte ihn immer als fröhlichen Menschen erlebt. Er und die Mutter Ilse hatten es verstanden, die Jahre in Deutschland aus dem Leben der jungen Familie zu verbannen. Evelyne sah sich als typisches amerikanisches "middle class girl". Erst lange nach dem Tod der Mutter stieß sie auf deren Bericht mit dem Titel "This is my life…" Zum ersten Mal wurde sie mit dem Schicksal ihrer Familie konfrontiert. Was sie nicht ahnen konnte: die Großmutter starb 1942 in Theresienstadt, die Tante wurde in Auschwitz ermordet. Kaum etwas wusste sie von der Odyssee ihrer Familie:

Saalfeld in Ostpreußen
Hier kommt Ernst Schwarz 1898 zur Welt, kurz nach dem Tod seines Vaters. Seine Mutter Ida Cohn geht erst nach Kassel, 1911 nach Freiburg, um ein Mädchenpensionat und eine Höhere Töchter Schule aufzubauen. Ihr Kind lässt die berufstätige Mutter in der Obhut der unverheirateten Schwester in Saalfeld.

Freiburg
1911 zieht Ernst Schwarz zu seiner Mutter und besucht das humanistische Friedrichsgymnasium. Im November 1916, kurz vor seinem 18. Geburtstag, wird er eingezogen und kann erst 1920 das Abitur nachholen.

Karlsruhe
Hier studiert Ernst Schwarz an der Technischen Hochschule. Hier lernt er Ilse Metzger kennen, die Tochter des Oberkantors. Nach Abschluss der Höheren Mädchenschule 1925 wird sie kaufmännischer Lehrling in Hornberg in der Firma ihres Baden-Badener Onkels Eugen Bruchsaler.

Koblenz
1930 läuten die Hochzeitsglocken für Ilse Metzger und Ernst Schwarz. Ein Jahr später kommt Tochter Beate zur Welt. Dipl.Ing. Ernst Schwarz ist seit 1928 in Koblenz Handelsvertreter im Unternehmen des Baden-Badener Onkels, das auf Elektroapparate spezialisiert ist. Doch durch die NS-Arisierungspolitik gerät die Firma unter Druck, Ernst Schwarz wird 1938 entlassen.

Baden-Baden
Ein Verwandter in Baden-Baden bietet ihm im Frühjahr 1938 eine Stelle als technischer Leiter an. Tochter Beate geht nun zur Grundschule im Kloster Lichtental. Am 10.11.1938 wird Ernst Schwarz mit 80 anderen jüdischen Männern verhaftet, durch die Stadt getrieben und muss die Schändung der Synagoge miterleben. Eine Nonne aus dem Kloster unterstützt Ilse Schwarz an diesem Tag, passt auf die kranke Tochter auf, während sie in die Innenstadt läuft. Es gelingt ihr, für einen kurzen Moment mit ihrem Mann zu sprechen, bevor er abends in das KZ Dachau deportiert wird. Am 7.12.1938, seinem 40. Geburtstag, wird Ernst Schwarz entlassen, weil seine Frau Ausreisepapiere für Luxemburg vorlegen kann. Beate darf seit dem Novemberpogrom nicht mehr zur Schule gehen. Dankbar ist ihre Mutter, dass eine Nonne heimlich mit Unterrichtsmaterialien vorbeikommt.

Luxemburg
Im Februar 1939 verlässt die Familie Baden-Baden, Ernst Schwarz findet Arbeit als Experte für Gasmessgeräte bei der Firma Elgama, die Eugen Bruchsaler - ebenfalls nach Luxemburg geflohen - dort gründet. Am 1.9.1939 kommen die Eltern von Ilse Schwarz nach. Endlich scheint wieder der Alltag für die inzwischen 8jährige Beate Einzug zu halten: "Ich ging in eine jüdische Schule, mein Großvater war Kantor in der Luxemburger Synagoge und alles schien in Ordnung zu sein. Eines Morgens aber wachte ich auf und wurde von meinem Vater und meinem Großvater geküsst, weil sie "verreisen" wollten. In der Nacht zum 10. Mai 1940 waren die Deutschen in die Benelux-Länder einmarschiert und die Männer unserer Familie versuchten zu fliehen. Doch am Abend kehrten Vater und Großvater zurück, weil sie die Sinnlosigkeit ihres Vorhabens erkannten".

Frankreich/Barcelona/New York
Die Großeltern fliehen im Juni 1941 über Barcelona nach New York zu ihrem Sohn Alfred. Ehepaar Schwarz folgt mit Beate auf der gleichen Route etwas später. Sie sind wochenlang unterwegs, nur mit einem Handkoffer. Finanziell unterstützt sie die "Joint", eine seit 1914 vor allem in Europa tätige Hilfsorganisation US-amerikanischer Juden. Es ist Rettung in letzter Minute, denn ab Oktober 1941 wird für die noch 700 in Luxemburg lebenden Juden ein Auswanderungsverbot verfügt und am 16. Oktober 1941 rollt der erste Deportationszug.
Sie sind gerettet, und dennoch: "Unsere wahre Leidenszeit begann in vieler Hinsicht erst nach Ankunft hier am 20.8.1941. Wir besaßen $10," schreibt Ilse Schwarz. Die Eheleute finden einen ersten Job in einem Internat: "Mutter war die Köchin, Vater der Handwerker. Das war eine ziemliche Umstellung, nachdem er Elektroingenieur gewesen war und wir in Deutschland eine Haushaltshilfe und ein Kindermädchen hatten", erinnert sich Beate Schwarz. Sie selbst spricht bald Englisch und fühlt sich wohl. Der Vater muss aus gesundheitlichen Gründen den Job als Hausmeister aufgeben, an seine alte Karriere kann er nicht mehr anknüpfen, jobbt bis zu seinem frühen Tod 1961 bei Radio und TV-Herstellern.

Quellen/Literatur:

StABAD A23/39; StABAD A5/Meldekarte; private Familienpapiere

Hier wohnte
ERNST SCHWARZ
JG. 1898
FLUCHT 1939
LUXEMBURG
1941 USA

Stolperstein Heimstraße 1, verlegt am 17. März 2023