geb. 16.09.1886 in Offenburg, gest. 04.06.1967 in Dallas

Beruf:

Rechtsanwalt

Adressen:

Fürstenbergallee 6 (von Mannheim kommend, 1919-1939)

Weiteres Schicksal:

Am 21. Mai 1939 Emigration nach England

Bild(er):

Rechtsanwalt Dr. Paul Kahn und Ehefrau Gertrud emigrierten 1939 nach England, wohin ihr minderjähriger Sohn Karl-Heinz bereits 1937 in Sicherheit gebracht worden war. Der Sohn hatte am Gymnasium Hohenbaden Schmähungen der Mitschüler erleben müssen.

Lebenslauf für die Beantragung eines Reisepasses, verfasst von seiner Ehefrau, November/Dezember 1938

"Lebenslauf
Paul Kahn wurde am 16. September 1886 in Offenburg, in Baden, als Sohn des Herrn Adolf Kahn und dessen Ehefrau Mina Kahn, geb. Kahn, geboren. Er absolvierte dort die Vorschule und das Gymnasium. Nach dem Abitur machte er sein Einjähriges beim Infanterie-Regiment 170 in Offenburg. Dann besuchte er die Universitäten in München, Freiburg, Berlin, etc. für das Rechtsstudium, und war dann Rechtspraktikant in Mannheim. 1913 ließ er sich in Baden-Baden als Rechtsanwalt nieder. Bei Kriegsbeginn kam er nach einiger Zeit Dienst in Rastatt als Unteroffizier mit dem (Res.) Infanterieregiment 111 ins Feld. Er machte die Somme-Schlacht mit, war bei Tahure etc. Etwa ein Jahr später bekam er im Feld eine schwere Rippenfell- und Lungenentzündung und eine Störung des Gehörs. Er kam dann als Vizefeldwebel in das Heimatlazarett in Binz. Auch ein Streifschuss wurde dorten behandelt. Nach längerem Kranksein kam er dann auf die Holzlagerplätze in Mannheim-Rheinau bis Kriegsschluss. Er bekam das EK 2 und Kriegsmedaille, ebenso Verwundetenabzeichen.
Paul Kahn nahm nach dem Krieg seine Praxis in Baden-Baden wieder auf und heiratete am 30. Juni 1919 Gertrud Blach aus Mannheim. Ihr Sohn Karlheinz wurde am 28. Juni 1921 in Baden-Baden geboren. Am 10. November wurde Paul Kahn in Schutzhaft genommen. Seine Adresse ist: Konzentrationslager Dachau 3 K., Stube 34, Block 14.

Frau Gertrude Kahn."

Paul Kahn studierte in Heidelberg, seit 1913 arbeitete er als Rechtsanwalt in Baden-Baden und führte eine gutgehende Kanzlei in der Lichtentaler Straße 3. Vorsteher der jüdischen Gemeinde Baden-Baden. Bei der „Judenaktion“ im April 1933 wurde das Schild seiner Praxis mit Farbe beschmiert und beschädigt.
Ab 1933 Rückgang der Kundschaft und des Einkommens. Hatte Kahn in den Jahren 1930-1933 durchschnittlich 28.800 RM eingenommen, gingen die Jahreseinnahmen von 1935 bis 1937 von 7.500 RM auf 3.200 RM zurück. So war er gezwungen, seine Geschäftsräume aufzugeben und die Praxis in sein Wohnhaus zu verlegen. Am 26. Oktober 1938 wurde Kahn die Zulassung entzogen.

Kahn wurde am Abend des Novemberpogroms mit 51 weiteren "Häftlingen" ins Konzentrationslager Dachau verbracht und dort bis zum 7. Dezember interniert. Während seiner "Schutzhaft" stellte Ehefrau Gertrud Antrag auf Auswanderung in die USA, die im Juli 1939 für Paul, Gertrud und Sohn Karl-Heinz erfolgte.
Unmittelbar zuvor verkaufte Kahn sein Privatanwesen Fürstenbergallee 6 für 21.500 RM, womit der Preis zwar über dem Einheitswert aber auch deutlich unter dem Verkehrswert lag. Die Kaufsumme wurde zur Bestreitung der Judenvermögensabgabe verwendet, der Rest sowie alles andere Vermögen (Aktien, Schmuck) vom Reich konfisziert bzw. öffentlich versteigert.

Die Kahns hatten Glück im Unglück. 1939 konnten sie in die USA einwandern und fanden eine neue Heimat in Dallas. Die dortige jüdische Gemeinde half bei der Suche nach Job und Unterkunft. Paul Kahn, der angesehene Anwalt aus Baden-Baden, startete sein neues Leben als Liftjunge, später wurde er wie sein Sohn Handelsvertreter für Schmuck. Erst nach Jahren konnte er wieder an seinen alten Beruf anknüpfen: Er beriet Überlebende des Holocaust bei Wiedergutmachungsverfahren.
Paul Kahn musste in eigener Sache langjährige Auseinandersetzungen mit dem Landesamt für Wiedergutmachung in Freiburg führen.

Quellen/Literatur:

StABAD A23/37; StABAD A23/29; StABAD A5/Meldekarte; StAF F 196/1 Nr. 5851; StAF P 303/4 Nr. 444; StAF P 303/4 Nr. 334; Gedenkbuch Bundesarchiv
Ruch, Martin: "Es schreit der Stein in der Mauer" (Habakuk 2,11): biographische Skizzen zu Offenburger Juden, Norderstedt 2019.

Hier wohnte
DR. PAUL KAHN
JG. 1886
FLUCHT 1939 ENGLAND




Stolperstein Fürstenbergallee 6, verlegt am 26.11.2014